23.6.21
Shiva Baby / Mubi
Die orientierungslos junge, bisexuelle und aufgeklärte Jüdin Danielle (Rachel Sennott) ist eingezwängt in ein übervolles Familienfest. Wie es sich für das Alter gehört, trifft sie gleichzeitig verletzt und beleidigend, bestimmend und völlig verloren nicht nur auf die Eltern, die viel zu viel fragen und noch viel mehr empfehlen. Bei der Trauerfeier im Haus von Verwandten weiß „Danny" anfangs nicht mal, wer verstorben ist. Trotzig hält sie ihre Legende eines zielstrebigen Studiums gegen die ebenfalls anwesende und von allen bewunderte Maya (Molly Gordon) aufrecht. Die ist auch noch ehemalige Geliebte. Dem klaustrophobischen Wirrwarr von Menschen und Gefühlen zwischen Küche und Wohnzimmerchen setzt im großen Lästern das unerwartete Auftauchen von Danielles Liebhaber und Finanzier Max (Danny Deferrari) die Krone auf. An seiner Seite die erfolgreiche Geschäftsfrau mit kleinem, schreiendem Baby. Nur mühsam können die beiden heimlich sehr Vertrauten eine Legende für ihre nicht zu übersehenden Reaktionen erfinden. Zwischen Eifersucht und neu aufflammenden Gefühlen für Maya stolpert Danielle von einem Fettnäpfchen ins nächste.
„Shiva Baby" erinnert zeitweise an die besten Szenen Woody Allens, ist bei dieser Komik des Allzumenschlichen aber viel emotionaler und intensiver. Vor allem Rachel Sennott, die schon im gleichnamigen Kurzfilm die Hauptrolle spielte, spiegelt in ihrem expressiven Gesicht all die Vorwürfe, Erwartungen, Enttäuschungen der anderen. Die grandiose Kamera von Maria Rusche macht die Enge um Danielle im Bild körperlich spürbar. Die geniale Musikbegleitung von Ariel Marx vollendet das prall intensive Kammerspiel.
„Shiva Baby" (USA 2020), Regie: Emma Seligman, mit Rachel Sennott, Molly Gordon, Polly Draper, 77 Min., FSK keine Angabe