23.6.21

Luca / Disney+ ab 18. Juni


Die neueste Pixar-Komödie zeigt eine Meerjungfrau-Geschichte aus anderer Perspektive: Statt kleiner Meerjungfrau nach Andersen oder „Arielle" nach Disney ist Titelheld Luca ein sogenanntes See-Ungeheuer im Teenager-Alter. Gar nicht ungeheuerlich hütet er blökende Fische im Meer und versteckt eine große Neugier nach „dem da oben" vor besorgten Eltern. Denn die betonen, dass die Ungeheuer vom Land sehr gefährlich sind. So bleibt es Luca ein Rätsel, weshalb er sich verstecken soll, wenn wieder so ein lautes Gerät auf der Wasseroberfläche vorbeituckert und Dinge auf den Meeresboden fallen lässt.

Bis eine wirklich erschreckende Gestalt im Tiefsee-Tauchanzug als weiterer Meerjungfrau-Junge - oder wie man das „gendert" - herausstellt. Alberto hat schon viel Erfahrung mit Landgängen und zeigt Luca eine Welt mit Eis und Pasta. Denn sobald sie trocknen, verwandeln sich die Meer-Jungs in italienische Bambinos. Vor allem schwärmt Alberto von der „größten Erfindung der Menschheit", der Vespa: „Vespa ist Freiheit, du kannst damit überall hinfahren wo du willst." So bauen sie an der Küste aus Abfällen haufenweise Vespa-Imitate, die sie dann über eine Sprungschanze im Meer versenken. Der abenteuerlustige, aber nicht so intelligente Alberto lehrt Luca dabei, seine Angst zu überwinden: „Du hast einen Bruno im Kopf, höre nicht auf Bruno!"

Zusammen entdecken sie mutig das Dörfchen Portorosso, unverkennbar die echte Touristen-Attraktion Portofino in all ihren bunten Farben. Der ganze Film „Luca" ist voller herrlicher Italien-Klischees. Falls da unten jemand beleidigt sein möchte, gäbe es jetzt haufenweise Gründe, sich über „stereotype Darstellung" dramatischer Gesten und übertriebener Aussprüche („Santa Mozzarella") aufzuregen. Leider kommt dem Film hier nach 30 Minuten ein Rennen als Handlungs-Krücke in die Quere. Mit ihrer neuen Menschen-Freundin, der hyperaktiven Giulia, als Trainerin, wollen Luca und Alberto an einem Triathlon aus Schwimmen, Pasta essen und Radfahren teilnehmen. Letzteres geht steil bergauf und dramatisch bergab. So wie man es bei den von einem Österreicher Brausehersteller angetriebenen Down Hill-Events quer durch Ski-Ressorts und Berg-Dörfer kennt. Das Preisgeld reicht für einen schrottreifen Skooter, doch vor allem gilt es, den ekelhaften Dauersieger Giacomo abzuhängen. Derweil haben Lucas Eltern seine Abwesenheit entdeckt und sind zur Suche an Land gegangen. Wie eine Furie kickt Mama beim Straßen-Fußball alle Kinder in den Brunnen, um den Sohn in unbekanntem Aussehen zu entdecken. Denn sobald die Meer-Ungeheuer nass werden, nehmen sie wieder ihre alte Gestalt an.

Ganz, ganz grob geht es bei „Luca" mit dem „Coming Out" der vermeintlichen Ungeheuer um die Angst vor den Fremden, dem Anderen. Das wird aber für Pixar-Niveau im Vergleich zu „Inside Out" oder zuletzt „Soul" nicht besonders ausgearbeitet und so eher ein bunter Kinder-Spaß mit einer zu klassischen Geschichte und Sport-Finale. Der Fischhirte Luca, der mehr von der Welt hinter dem Meer wissen will, ist eine typische Disney-Figur. Allerdings verliert sich die Sache mit dem Entdeckerdrang etwas in der abenteuerlichen Handlung im Dorf. Wobei reichlich Holterdiepolter für ein sonst so sorgfältiges Pixar-Drehbuch auffällt. Nicht nur bei der rasanten Rad-Fahrt über das Pflaster der Dorfstraßen wird man durchgeschüttelt. Luca entscheidet sich nicht wegen großer Sehnsucht für ein Leben unter den Dörflern für sein Coming out, er macht es, um den Freund zu retten. Es scheint, als hätte sich Pixar hier fast an zu viel gutem Inhalt verhoben und dann schnell noch die Kurve zu leichter und sehr bunter Unterhaltung gewählt.

„Luca" (USA 2021), Regie: Enrico Casarosa, 95 Min., FSK ab 0