7.6.21
Loki / Disney+ (ab 11.6.2021)
„Loki", die neue Serie von Marvel Studios und Disney, spielt nach den Ereignissen von „Avengers: Endgame" ... Und schon liegen wir ganz falsch, denn der Gott des Schabernacks Loki bekommt in seiner Hauptrolle mächtig und auch komisch mit Zeitreisen zu tun. Alles ist möglich und die beiden ersten Folgen sind richtig gut.
Ein großer Vorteil des größenwahnsinnigen Universums der unzähligen Marvel-Filme ist der Spar-Effekt: Man kann sich immer kostengünstig bei Szenen anderer Filme bedienen. Beispielsweise, wenn man zeigt, wie der gefangene Loki (Tom Hiddleston) in „Avengers: Endgame" (2019) den Tesseract klaut und unfreiwillig in Raum und Zeit herumreist. Nach Ankunft wird er allerdings schnell wie respektlos von Soldaten der TVA einkassiert. Ihre Behörde namens „Time Variance Authority" sorgt dafür, dass die Timeline – der Verlauf der Geschichte – eingehalten wird. Alle parallelen Zeitstränge müssen gestoppt werden.
Nun befindet sich der besonders arrogante und von Natur aus betrügerische Gott in den Händen einer kafkaesken Bürokratie, siehe „Brazil". Ein witziger Werbeclip erklärt den Job der Timeline-Kontrolleure, doch Loki nimmt die Sache erst ernst, als er merkt, dass all seine Zauberkräfte hier nicht funktionieren. Dafür holt ihn ein Hundehalsband der TVA auf Knopfdruck immer wieder zu einem Ausgangszeitpunkt zurück. Dumme Sache.
Und ganz schön spaßig, wie vor allem der TVA-Agent Major Mobius M. Mobius (Owen Wilson hinter biederem Schnurrbart) den eingebildeten Gott mit wissendem Lächeln immer wieder auflaufen lässt. Loki sei „nur eine Schmusekatze gegenüber den echten Verbrechern" und „für jemanden, der zum Herrschen geboren sein soll, verlierst du eine Menge". Schließlich bekommt der gescheiterte Sohn von Asgard doch einen Bürojob und soll helfen, einen besonders hartnäckigen Verbieger der Zeitlinien zu schnappen. Denn der soll eine noch üblere Variante von Loki selbst sein!
Es ist schon mal ein Gewinn für die Marvel-Helden-Filmchen, dass Loki aus dem Schatten seines Bruders heraustritt. Denn der Typ, der immer verneint, der immer lügen und betrügen muss, ist auf jeden Fall interessanter als sein stinklangweiliger großer und starker Bruder, der törichte Muskelberg Thor. Tom Hiddleston machte schon immer in dieser Rolle Spaß. Diesmal wird er erstmal gar nicht ernst genommen. Bei einer Art Psychoanalyse ist das „Best of" seiner bisherigen Szenen nicht gerade schmeichelhaft. Aber auch den ganzen überspannten Marvel-Kladderadatsch nimmt diese Serie (in den zwei zugänglichen Episoden) keineswegs ernst: In einer der nettesten Momente finden sich nebenbei haufenweise Infinity-Steine in einer Schublade. Sie werden von den TVA-Bürohengsten als Briefbeschwerer benutzt. Für Nicht-Eingeweihte: Um diese Glitzersteinchen drehten sich mehrere Filme, die zusammen Milliarden einbringen sollten.
Das relativiert einiges und schafft Platz für Neues. In einer Art Detektivgeschichte wird Loki ab der zweiten Folge auf die Jagd nach sich selbst geschickt. Beziehungsweise auf die Jagd nach einer anderen der vielen Variationen seiner. Wieder einer der kleinen Scherze zwischendurch zeigt, dass eine Variante die Tour de France gewonnen hat - man muss an Lance Armstrong denken. Dass in einem der Akten-Vorgänge die Zerstörung von Asgard, die Ragnarök, verbucht ist, erschüttert den einst von dort Verbannten nur kurz. Bald sucht er darin eine Ausflucht per Zeitreise. Reizvoll bei der inhaltlich und äußerlich sehr vielversprechend angelaufenen Serie ist vor allem der Name von Owen Wilsons Figur Mobius M. Mobius. Bezeichnet doch das nach dem Leipziger Mathematiker August Ferdinand Möbius beschriebene Möbiusband eine Fläche mit überraschend anderen Perspektiven und Seitenwechseln. Die Marvel-Figurchen können durch gute Science Fiction nur gewinnen.
„Loki" (USA 2021), Regie: Kate Herron, mit Tom Hiddleston, Owen Wilson, Gugu Mbatha-Raw, 6 Folgen
mit ca. 60 Min., Altersfreigabe ohne Angabe