28.10.19

Porträt einer jungen Frau in Flammen

Frankreich 2019 (Portrait de la jeune fille en feu) Regie: Céline Sciamma, mit Noémie Merlant, Adèle Haenel, Valeria Golino 122 Min. FSK ab 12

Die erstaunlich selbständige und selbstbewusste Pariser Malerin Marianne (Noémie Merlant) erhält 1770 einen Porträt-Auftrag an der Küste der Bretagne. Gemalt werden soll die junge Adelige Héloïse (Adèle Haenel), die gerade die Klosterschule verlassen hat. Um sofort verheiratet zu werden. Ihr Bildnis soll deshalb zum Verlobten nach Mailand geschickt werden. Aber Héloïse will keine Gemahlin sein und deswegen nicht gemalt werden. So tritt Marianne als Gesellschafterin auf, begleitet die verschlossene Frau bei Spaziergängen am Strand und auf den gefährlichen Klippen, um später aus der Erinnerung Skizzen anzufertigen.

Schon die Ankunft mit dem Ruderboot und mit einer verzweifelten Rettung einer Kiste von Leinwänden aus dem Meer ist ähnlich schön wie „Das Piano". Im „Porträt einer jungen Frau in Flammen" sind einige grandiose Kamera-„Gemälde" zu sehen, dazu tolle Bildkompositionen wie beim ersten wortlosen Blick-Dialog den beiden Frauen. Und das ist das nächste Wunderbare an diesem beglückenden stillen Film: Das Schauspiel von
Adèle Haenel („Die Blumen von gestern", „120 BPM") und Noémie Merlant („Die Schüler der Madame Anne") ist so faszinierend exzellent, dass es gar keiner raffinierten oder hochdramatischen Wendungen in der entstehenden Liebesgeschichte zwischen Héloïse und Marianne bedarf. Auch wenn der mehrfach erwähnte Mythos von Orpheus und Eurydike für einen reizvollen doppelten Boden sorgt.

Das langsame Entstehen eines Portraits begleitet die Verwandlung von Haenels Héloïse. Wie ein Schatten liegt anfangs der tödliche Klippensprung der Schwester auf ihr. Schweigsam, in sich gekehrt, mit einer verborgenen Wut. Dann öffnet sie sich immer mehr und zeigt deutlich Spaß an irgendwann doch enthüllten Porträtieren. Ja, das Objekt gibt der Malerin sogar Anweisungen und fordert sie mit keckem Blick heraus, genauer hinzusehen. Ihre erste heftige Kritik lautet, dass sie selbst nicht getroffen sei, wäre verzeihlich. Aber dass man auch die Malerin nicht in dem Bild wiederfindet, sei enttäuschend.

Adèle Haenel stehen solche dramatischen Rollen - wie die Ärztin in „Das unbekannte Mädchen" - besser als komödiantische wie letzte Kino-Woche in „Liebe Antoine als gar keinen Ärger". Langsam entwickelt sich so ein wunderbares Doppelportrait intensiven Schauspiels. Mit im Hintergrund die Umstände der Zeit, dass eine Malerin keine Männer porträtieren durfte, dass sie aber trotzdem finanziell unabhängig sein konnte und nicht heiraten musste.

So ist bei dieser in jeder Hinsicht gelungenen, still dramatischen Geschichte einer unerhörten Liebe der Regisseurin Céline Sciamma („Water Lilies" schon mit Haenel, „Tomboy") erstaunlich, dass es für die eigentlich einfach schwierige Geschichte in Cannes den Drehbuch-Preis gab. Denn ein Kamera-Preis müsste unbedingt her. Und auch einer für die Darstellung - mindestens.