Südkorea 2019 (Gisaenchung) Regie: Bong Joon-ho, mit Song Kang Ho, Lee Sun Kyun, Cho Yeo Jeong 131 Min. FSK ab 16
„Parasite", der Gewinner der Goldenen Palme von Cannes 2019, ist eine ebenso so genau gezeichnete wie krasse Gesellschaftskomödie einer Unterschicht-Familie, die sich in einer reichen Villa einnistet. Grandioses Kino vom Meisterregisseur Bong Joon-ho („Okja" 2017, „Snowpiercer" 2013, „Mother" 2009, „The Host", 2006).
Familie Kim lebt ganz unten. Aber wenigstens haben sie in ihrer vermüllten Tiefparterre-Wohnung ein Panorama-Fenster auf die Gasse, in der Menschen sich übergeben und urinieren. Wenn draußen Insektenvernichter gesprüht wird, machen sie die Fenster auf, damit der Gift-Nebel auch bei ihnen rein kommt. Die Telefone der vier sind schon längst abgeschaltet und jetzt hat auch die Nachbarin ihr WLAN mit einem Passwort gesichert. Nur in einer Ecke hinter dem Klo ist noch Empfang. Schlampig wie ihr Leben ist auch die Heimarbeit der Kims: Ein Viertel der Pizzakartons sind falsch gefaltet. Doch mit etwas Erpressung behalten sie Ihren Job.
Alles ändert sich, als der Sohn mit gefälschten Abschlüssen zum Englisch-Lehrer der Tochter der reichen Park-Familie wird. Er empfiehlt für den bunt krakelnden Park-Sohn eine berühmte Kunst-Kritikerin, die tatsächlich seine Schwester ist. Mit Intrigen und chemischen Attacken ziehen die Mutter als neue Haushälterin und Herr Kim als zuverlässigerer Chauffeur nach. Während eines Camping-Ausflugs der Parks machen die Kims Party in der Villa und entdecken, dass die Dialektik des Unten und Oben in diesem Luxusgebäude auf dem Hügel eine ganz spezielle Ausprägung hat.
Die Schwarze Komödie „Parasite" steigert ihre großartig eingefädelte und inszenierte Gesellschafts-Parabel bis hin zu einem abstrusen Wahnsinn. Die Kims starten etwas ordinär, aber auch hochgradig raffiniert. Sie lassen die alteingesessene Haushälterin allergisch auf eingeschmuggelte Pfirsiche reagieren, so dass es aussieht wie Tuberkulose. Es ist eine erste deftige Überraschung, als sie feststellen, dass sie nicht die ersten sind, die hier die sich in der Villa eingeschlichen haben. Das Unten und Oben wird drastisch und mehr als metaphorisch ins Bild gebracht. Bis auf das Finale gibt es dabei nur wenig von der typischen Brutalität koreanischer Filme. Aber die Gnadenlosigkeit der Gesellschaft-Analyse steckt in jedem Bild - auch wenn alles wie Komödie wirkt.
Damit bleibt Regisseur und Ko-Autor Bong Joon-ho seiner tieferen Thematik treu: Im Science Fiction „Snowpiercer" oder im Horror „The Host" ging es hauptsächlich um gesellschaftliche Verwerfungen. Diesmal attackiert er nicht nur die Begeisterung für alles Amerikanische („Das Zelt kommt aus den USA, dann muss es dicht sein"). Es geht vor allem um die - freundlich gesagt - Arbeitsteilung, die es mit dem Wuchern des Neo-Liberalismus und dem Schaffen einer neuen Unterklasse wieder normal macht, wenn Ärmere den eigenen Dreck der Reichen wegmachen. „Parasite" ist in der gesellschaftlichen Analyse sagenhaft genau inszeniert, und perfekt im Timing der Komödie. Die Kamera sorgt für konstanten Augenschmaus.