USA 2019 (The Joker) Regie: Todd Phillips, mit Joaquin Phoenix, Robert De Niro, Zazie Beetz, Frances Conroy 118 Min. FSK ab 16
„Joker" ist der Sieger des Festivals von Venedig, der seitdem heftig diskutiert wurde: Polit-Regisseur Michael Moore sieht in der Stimmung des Films die Grundlage für das Emporkommens von Trump, andere beklagen die Gewalt in „Joker". Und weil einst ein Attentäter mit leicht zugänglichen Schusswaffen im Kino bei einer „Batman"-Vorstellung mordete, protestierten auch Angehörige der Opfer. Nun, zum Glück ist der neue „Taxi Driver" in Clowns-Maske tatsächlich noch verstörender als diese Reaktionen. Joaquin Phoenix legt als psychopathischer Joker eine Meisterleistung hin. In einem Film, der eine Ratlosigkeit hervorruft, die man angesichts vieler Polit-Clowns auch im echten Leben verspürt.
Der Joker ist aus Comic und Film bekannt als dämonischer und hämischer Gegenspieler Batmans. Seine Figur wurde in früheren Filmen von Jack Nicholson im Tim Burtons „Batman" und von Heath Ledger in Christopher Nolans „The Dark Knight" verkörpert. Diesmal wird der bittere Lacher nicht durch ein Säurebad zum Oberschurken und Monster. Kapitalismus und eine Gesellschaft ohne Empathie machen sehr realistisch aus einem sensiblen Künstler den sehr ambivalenten Antihelden.
Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) will Stand up-Comedian werden, aber wirbt im Clownskostüm für einen Strippladen in New York. Der sensible Kerl, der noch bei seiner Mutter in einem runtergekommenen Haus lebt, wird ausgeraubt und zusammengeschlagen, im Bus runter gemacht. Er verliert seinen Job und trotzdem lacht er sein schrilles, hysterisches Lachen. Als ihn drei pöbelnde Banker in der U-Bahn zusammenschlagen, erschießt er sie mit der Waffe eines Kollegen. Weil Bürgermeister Thomas Wayne diese Selbstjustiz lächerlich macht, erwächst aus den Morden eine Clown-Kampagne frustrierter Bürger.
Doch mit Arthur geht es weiter abwärts, als er die Wahrheit über seine Mutter und seine Herkunft entdeckt. Genauso wenig wie komisch ist er der uneheliche Sohn von Thomas Wayne. Als Frank auch noch von seinem großen Komiker-Vorbild Murray Franklin (Robert De Niro) verlacht wird, plant er Rache in dessen Live-Show. Noch vor der finalen Explosion legen sich Blutspritzer dekorativ auf die weiße Maske. Nachdem Joker die Stadt „entflammt" hat, strikt die weitgehend „Batman"-freie Geschichte doch etwas an der Fledermaus-Saga und beginnt sie unerwartet auf dem falschen Fuß.
Taxis sind im Bild New Yorks allgegenwärtig. Aber so deutlich wie hier sagen sie doch noch etwas anderes: „Joker" ist unter bedrohlicher Musik vor allen Dingen ein neuer „Taxi Driver". Arthur folgt im Gegensatz zum einst von De Niro gespielten Travis Bickle nicht einer jungen Prostituierten, sondern seiner Nachbarin. Dieses Gotham City, das schon immer New York war, ist in „Joker" sehr real und eine unangenehm kalte Stadt. Ihr Problem sind weniger die Riesenratten, sondern die Menschen. Wenn aus dieser Bedrohungslage eines Geisteskranken mit unvermittelter und völlig sinnloser Gewalt Joker zum Messias plündernder Massen wird, ist das ein politischer Diskurs. Über einen Clown wie Trump und Boris Johnson, wie Gert Wilders oder Bernd Höcke.
Doch vor allem ist der grandios inszenierte und düster stilisierte „Joker" ein Film von Joaquin Phoenix. Er kann nicht einfach großartig spielen, sondern darf jemanden spielen, der schauspielert. Das ist immer ein besonderer Genuss bei exzellenten Mimen. So ist es letztlich auch sehr komisch, was von den Proben und dem Disput zwischen De Niro und Phoenix erzählt wurde. Denn dies ist ein Film, den nur Phoenix machen konnte und De Niro ist nicht mehr als ein Stichwortgeber und wandelndes Filmzitat. Er spielte einst selbst diese Rolle des fanatischen Verehrers des „King of comedy". Der berühmte Komödiant war damals Jerry Lewis und der Regisseur nach „Taxi Driver" wieder Martin Scorsese. „Joker" ist eindrucksvoll, verstört und kriecht unter die Haut. Ein großartiger, dunkler Film vom bisherigen Komödianten Todd Phillips („Borat", „Hangover"-Trilogie), der ratlos zurück lässt.