23.9.19

Midsommar

USA 2019 Regie: Ari Aster, mit Florence Pugh, Jack Reynor, Vilhelm Blomgren 142 Min. FSK ab 16

Ein neues Schauerstück aus dem neuen Subgenre Folk-Horror sorgt für Irritation mehr als für Schrecken: Im immerhellen Mittsommer Schwedens lässt „Midsommar" naive us-amerikanische Studenten an einem letztlich gar nicht schönen Ritual teilnehmen. Zweifel an unserer aufgeklärten Gesellschaft hallen mehr nach als drastische Tötungen.

Schon vor dem Vorspann ist „Midsommer" der Hammer: Nicht mit Film-Horror, sondern mit einem horrendes Ereignis im Leben der jungen Dani (Florence Pugh). Nachdem die psychisch kranke Schwester sich und auch noch die Eltern umgebracht hat, ist Freund Christian (Jack Reynor) keine große Stütze. Seinen Freunden erzählt er, dass er die anstrengende Dani längst loswerden wollte, aber jetzt könne er sich ja nicht trennen. Eigentlich nicht erwünscht reist Dani nun mit bei einem ethnografischen Trip der Freunde nach Schweden. Das Mittsommer-Ritual, das nur alle 90 Jahre zelebriert wird, beginnt mit einem halluzinogenen Tee und wird mit einem Menschenopfer enden.

„Midsommer" von Ari Aster („Hereditary") ist interessant, weil er nicht mit den üblichen Horror-Klischees abläuft: Die freundlichen, weiß gekleideten Menschen, die Wiesenlandschaft, das gleißende Licht - alles ist anders. Die Kamera schwelgt in den Ritualen, den Tafelszenen, den Tänzen, den Kostümen. Was nicht richtig funktioniert, ist die Beteiligung an den Figuren. Es liegt am Drehbuch und vielleicht auch am Schauspiel, dass man nicht um sie bangt. Um Christian herrscht eine seltsame Beziehungs- und Gruppendynamik. Die ist ungefähr so angenehm, als würde man einem Ausschlag beim Eitern zusehen. Dass sie dafür bestraft werden, scheint ok. Wie Dani von dieser Gesellschaft befreit wird, und vor allem, wie sie darauf reagiert, irritiert. Gefallen ihr die extrem brutalen, menschenverachtenden Riten, zu deren Mittelpunkt sie wurde, vielleicht sogar?

So irritiert wie sich der Zuschauer fühlt, muss sich die Aufklärung fühlen, wenn man ihr unterschieben will, dass das eine oder andere Menschen-Opfer ab und zu doch nötig wäre. Folk-Horror ist ein recht neuer Begriff für ein altes Unbehagen: Es liegt etwas Bedrohliches in archaischen Traditionen, in abgelegenen Dörfern mit erkennbaren Inzest-Missbildungen, und der Horror-Film bedient sich dankbar an diesem beängstigenden Hintergrund. Nachträglich werden Kultfilme wie „The Wicker Man (1973) zum Folk-Horror gezählt, auch John Boormans Klassiker „Deliverance" („Beim Sterben ist jeder der Erste", 1972) passt dazu.

Das berechtigte Misstrauen der Kultur-Gesellschaft gegenüber den konservativen Gebräuchen der „guten alten Zeit" erschließt sich als Grundidee schnell. Die detaillierte Ausführung mit ethnographischen Fantasien ohne weitere Erkenntnisse zieht sich allerdings hin. Erst mit dem Verschwinden einiger der Gäste wird es nach mehr als einer Stunde spannend. Wobei ein Paarungsritual, umkreist von einem nackten Frauen-Gesangsverein, nur noch komisch wirken kann. Aber das ist vielleicht auch eine Antwort auf die lächerlichen Männer, die Dani umgeben.