Frankreich, Belgien 2017 (Holy Lands) Regie: Amanda Sthers, mit James Caan, Tom Hollander, Rosanna Arquette, Jonathan Rhys Meyers, Efrat Dor, 100 Min. FSK ab 6
„Schweine züchten in Nazareth" - was für eine Idee! Zwar sind Juden und Moslems dort sehr beschäftigt, sich zu bekriegen. Doch beide eint die Ablehnung der Schweine. Das scheint den ehemaligen New Yorker Arzt Harry Rosenmerck (James Caan) besonders zu reizen. Was in seiner bemerkenswert gestörten Familie sonst noch passiert, zeigt Regisseurin Amanda Sthers („Madame") nun auch in der großartigen Verfilmung ihres eigenen Romans „Schweine züchten in Nazareth" mit vielen Stars.
Die sehr schrägen Familien-Verhältnisse bekommen schnell Tiefe: Harrys hypochondrische Exfrau Monica (Rosanna Arquette) hat in New York tatsächlich einen Tumor und nur noch ein Jahr zu leben. Die 34-jährige Tochter Annabelle (Efrat Dor), die noch von den Eltern finanziert wird, versucht in Brüssel ihre psychologischen Schmerzen zu bewältigen. Der schwule Sohn David (Jonathan Rhys Meyers) macht ein Theaterstück draus. Derweil zieht der Vater, der nie Haustiere erlaubte, selbst ein kleines Ferkel per Hand groß und nennt es Judas.
In einer Familie, die immer Abstand voneinander hält, sind Briefe der vernachlässigten Kinder angesagt. So ist Amanda Sthers Roman „Schweine züchten in Nazareth" auch zu hören. Dabei antwortet Harry nie, kann es aber nicht aushalten, dass sich seine Tochter auch nicht meldet. Berührende persönliche Dramen und große Themen verbindet „Die Wurzeln des Glücks" mutig und gekonnt. Harry geht sehr geistreich mit den engstirnigen und humorlosen Priestern aus gleich allen drei abrahamitischen Religionen um. Zum resoluten örtlichen Rabbi Moshe (Tom Hollander) entwickelt er nach anfänglichen Streitereien eine besondere Freundschaft. Der nicht mehr praktizierende Jude findet hier Trost bei der Sabbat-Feier, Moshes Kinder sind vom süßen Ferkel begeistert, während Moshes Frau dauernd seinen Anzug von Schweine-Spuren reinigen muss.
Die Orthodoxen sehen auf ihren Mopeds so albern aus, wie ihre Regeln sind. Wie will man sich beim Nachbarn beschweren, wenn man nicht mal klingeln darf? Dabei verkauft sich Speck und Ei in Tel Aviv scheinbar recht erfolgreich. Christen wollen gleich das ganze Land okkupieren, weil Jesus, ein Jude, hier mal rumgelaufen haben soll.
Hier stehen die Bürger-Rechte eines Atheisten gegen die Diktatur mittelalterlicher religiöser Extremisten. Doch nicht als Thesen, sondern in Form lebendiger, widersprüchlicher und deshalb spannender Menschen. Ja, die Situation ist im Großen und Kleinen nicht einfach. Im Kaleidoskop der bewegenden Leben wird Annabelles Party am Strand von Tel Aviv durch Raketenalarm unterbrochen. Der spontane Sex mit einem Unbekannten im Unterstand ändert bald ihr Leben.
Leben und Kunst sind nicht nur auf der Bühne von David sehr schön miteinander verbunden, wenn er seine Familiengeschichte nachspielt. Auch Amanda Sthers verbindet in ihrem wunderbaren Film „Die Wurzeln des Glücks" über eine Familie, die unfähig ist, mit Krankheit und Gefühlen umzugehen, Gefühl, Verstand und Kunst.