7.8.14

Lucy (2014)

Frankreich 2014 Regie: Luc Besson mit Scarlett Johansson, Morgan Freeman, Min-sik Choi 90 Min.

Mit dem immer wieder lohnenswerten Denkansatz „Was wäre wenn...?" reizt Luc Besson („Im Rausch der Tiefe", „Leon- Der Profi", „Transporter") die Möglichkeiten des menschlichen Hirns im hübschen Kopf von Scarlett Johansson aus. Das führt zu einem unterhaltsamen Science Fiction mit Humor und Action, der in Ansätzen sehr reizvoll ist. Dass Besson hier nicht an seinen Klassiker „Das fünfte Element" ranreicht, liegt wahrscheinlich daran, dass der fleißige Regisseur, Autor, Produzent und Studiogründer sein eigenes Vermögen nur rudimentär ausgereizt hat.

Als blonde Frau aus dem Westen für einen Party- und Drogen-Bekannten einen Koffer unbekannten Inhalts in ein koreanisches Hotel bringen und dafür 500 Dollar kassieren? Die Studentin Lucy (Scarlett Johansson) ist dazu viel zu helle in ihrem Köpfchen. Doch der Typ ist noch viel dreister und nur Minuten später klebt er tot an der Glasfassade während sie in einer Suite zwischen bedrohlichen Bodyguards sitzt. Lost in Translation und auch sonst ziemlich verloren, erlebt Lucy die erschreckende Wirkung einiger blauer Kristalle und wacht dann mit einer Wunde am Bauch auf: Der koreanische Pate Mr. Jang (Choi Min-sik) ließ ihr ein Päckchen der neuen Droge in den Körper einnähen, zwingt dann sie und andere, den (fiktiven) Stoff namens CPH 4 nach Europa zu schmuggeln.

Als die brutale Prügel der Handlanger das Päckchen in ihrem Bauch platzen lassen, erlebt Lucy ein paar Millionen Jahre Evolution in Sekunden: Sie kann die Fähigkeiten des menschlichen Gehirns immer mehr und weit über die üblichen 10 Prozent einsetzen, wie Morgan Freeman als Professor Norman parallel vorträgt. Im umgekehrten Countdown bis zur 100-prozentigen Nutzung ihrer neuronalen Fähigkeiten wird Lucy Gedanken und Materie manipulieren, das gesamte Handynetz scannen. Radio oder TV-Wellen modulieren, ist dabei eine der einfachsten Übungen. Eine ganze Bande koreanischer Killer an der Decke kleben lassen, ein der spaßigsten.

Besson fährt reichlich erstaunliche Fähigkeiten seiner Heldin und noch mehr filmische Gimmicks auf. Schon das knappe, einleitende Gespräch, mit dem Lucy in die Falle gelockt wird, begleiten Clips von lauernden Leoparden und Mausefallen. Das ergibt einen wilden aber originellen Science Fiction, der vor allem keine Zeit für unnötige Wiederholungen hat. Die philosophische Ebene bietet als Fast Food für den Kopf eine Geschichte allen Lebens, eine Art Terrence Malick „Tree of Life" 3.0 an. Allerdings nicht als große Komposition sondern als Abfolge von nicht immer gelungenen Pointen. Jedoch auch mit einigen Volltreffern wie der neuen Version von Michelangelos Erschaffung Adams: Hier ist Lucy gleichzeitig Gott und Äffin, gibt nach einer rasanten Reise durch die Erdgeschichte den Funken ihrer Erkenntnis in einer genialen Rückkopplung weiter.

Das geriet als Gedankenspiel viel spannender als die brutale Korea-Mafia, die gegen diese neue Wonder-Woman chancenlos ist. (Die asiatischen Produzenten zeigen sich auch in der allgegenwärtigen Samsung-Werbung.) Auch die anderen Action-Typen des Films, mit denen Besson seine „Taxi"- und „Transporter"-Filme zitiert, können nur staunen - mit offenem Mund und offenen Wunden. „Lucy" ist eher grandioser Science Fiction als Action-Thriller. Schön dabei, dass der Franzose immer noch sehr verrückt mit allem rumspielt, was Film ist. Schade, dass das Ergebnis unsorgfältig und zu rasch fertig gestellt wirkt. Aber wahrscheinlich hat Luc Besson einfach noch viel zu viel zu tun, bevor er sich als Multitalent in jedem Bit der filmischen Welt verewigt hat.