26.7.10

Inception


USA, Großbritannien 2010 (Inception) Regie: Christopher Nolan mit Leonardo DiCaprio, Ken Watanabe, Joseph Gordon-Levitt, , Ellen Page, Tom Hardy, Cillian Murphy, Tom Berenger, Michael Caine 142 Min.

Waren „Avatar“ und „Das weiße Band“ die Filme des vergangenen Jahrzehnts, trumpft Christopher Nolan („Memento“, „The Dark Knight“) mit der ersten Sensation der Zehner Jahre auf: Einzigartig in Komplexität und Spannung wird die Gedankenwelt von „Inception“ die Filmfans in ausufernden Diskussionen beschäftigen wie einst „Matrix“ oder „Pulp Fiction“.

Cobb (Leonardo DiCaprio) spioniert mit seinen Teampartnern die Gedanken mächtiger Geschäftsleute aus, indem sie als Akteure in deren Träume eindringen. Als der japanische Industrielle Saito (Ken Watanabe) umgekehrt einen Gedanken in den Kopf des Konkurrenten Robert Fischer (Cillian Murphy) pflanzen will, halten alle dies für unmöglich. Doch weil Saito die Erfüllung von Cobbs größtem Wunsch verspricht, will der es möglich machen. Mit einer neuen Superdroge und der Studentin Ariadne (Ellen Page) als Architektin labyrinthischer Fantasie-Welten werden gleich mehrere Träume miteinander verschachtelt, in denen man sowohl mit dem bewaffneten Widerstand von Fischer als auch mit den spezifischen Problemen dieser Traumreisen fertig werden muss. So werden aus Sekunden des Schlafes viel Traum-Minuten oder gar Stunden in den nächsten Ebenen. Und wenn sich die Traumgemeinschaft durch einen tiefen Fall in Schwerelosigkeit befindet, gerät die ganze Vision in einen kniffeligen Schwebezustand. Doch die größte Gefahr droht dem Plan durch eine tragisch verlaufene Liebe Cobbs, dessen schlechtes Gewissen sich in Form seiner Frau Mal (Marion Cotillard) immer wieder äußerst destruktiv in den Visionen manifestiert.

Vom ganz frühen, ersten Finale an, wenn ein Traum mitten im Auftrag einstürzt, hält Christoper Nolan die Spannung hoch in der Matrix seiner Gedankenwelt. Nolan war der Regisseur des rückwärts erzählten „Memento“, wenn ich mich recht erinnere. Reagierte damals der Kopf begeistert wegen der Kitzel in den Hirnwindungen, wird er nun orgiastisch aufjauchzen. Nach zehn Jahren Arbeit an seinem zweiten ganz eigenen Projekt „Inception“ geriet das Meisterwerk so komplex, dass der Platz einer Besprechung nun wirklich mal nicht reicht. Unter den vielen atemberaubenden Bildern des Films - von Paris, das sich im Geiste Eschers auf sich selbst faltet, oder eines New Yorks, das wie Sandburgen zerbröselt - gibt es auch die einfachen Sinnbilder, die einen nicht weniger loslassen. Das passende Bild zur Dichte des Films liefert der Einstellungstest für die Architektin Ariadne: Sie soll in zwei Minuten ein Labyrinth zeichnen, dass man in einer Minute nicht lösen kann. Nolan hat in zehn Jahren eine Filmwelt gezeichnet, die man in 140 Minuten nur staunend erleben, aber kaum in ein paar Zeilen erfassen kann.

Der immer wieder reizvolle Traum im Traum wird von Nolan potenziert: Gleich fünf mit modernster Computertechnik gestaltete und so noch nie gesehene Welten werden hier ineinander geschachtelt. Die immer fragileren Gedanken-Gespinste verhalten sich zu anderen Filmen so sensationell anders wie Spock von der Enterprise, der dreidimensional Schach spielte, während andere nur zweidimensional denken konnten.

Von dem ganzen Haufen großartiger Schauspieler sei vor allem Leonardo DiCaprio erwähnt, der in diesem „Shutter Island 2“ erneut dagegen ankämpft, in einer Wahnwelt zu versinken. Emotional ist „Inception“ das große Drama seines Cobb, der sich ein Gefängnis der eigenen Erinnerungen baut - schön und schrecklich zugleich. Wie Orpheus steigt er ins Totenreich hinab, um seine Liebe zu retten. Was sagt uns dabei das „Rien de rien“ der Piaf, das immer wieder aus der Traumwelt zurückruft? Man kann nur wirklich in der Realität leben, wenn man nicht bereut?

Denn bei aller Komplexität, bei der erstaunlich packenden Action und all den fantastischen Momenten ist „Inception“ ganz tief drinnen auch ein Liebesfilm, der große Film einer verlorenen Liebe. Ob er nun einen Offenen oder einen Trugschluss hat, darüber werden die Fans noch lange diskutieren. Auf jeden Fall ist das Ende ebenso genial wie das ganze fantastische Gedanken-Gebäude Nolans.