29.4.08
Actrices - oder der Traum von der Nacht davor
Frankreich 2007 (Actrices) Regie: Valeria Bruni Tedeschi mit Valeria Bruni Tedeschi, Noémie Lvovsky, Mathieu Amalric, Louis Garrel, Marisa Borini, Valeria Golino 108 Min. FSK: ab 6
Ja, sie ist die amtierende Schwägerin des französischen Präsidenten Sarkozy. Und nein, Valeria Bruni Tedeschi, die Schwester von Carla Bruni, hat so gar nicht von schamlosen Staatsaffären. Äußerst sensibel und persönlich zeigt sie sich in ihrer zweiten Regie „Actrices“ als Schauspielerin in einer Lebens- und künstlerischen Krise.
Valeria Bruni Tedeschi ist Schauspielerin, eine grandiose! Als Bäckersfrau in „Nénette et Boni“ kurbelte sie 1996 den Brotverkauf heftig an. In „La Seconda Volta“ spielte sie, die im Italienischen ebenso zuhause ist wie im Französischen, eine rehabilitierte Terroristin der „Roten Brigaden“, die auf ihr früheres Opfer trifft. Während „Ist Liebe nur ein Wort?“ aufs Wunderbarste mit der Verletzlichkeit einer psychisch labilen jungen Frau fasziniert, zeigte „Die Farbe der Lüge“ eine ruppige Kommissarin. Ihre Regisseure heißen Chabrol, Blier, Denis oder Ozon, aber erst in ihrer ersten eigenen Regie konnte sie das gleichzeitig spröde und äußerst sensible, das schon ihre Stimme in Originalversion erleben lässt, ganz ausspielen: „Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr...“ war als autobiographische Tragikomödie ebenso klug und klassenkämpferisch wie humoristisch und anrührend. Und wer wirklich etwas erfahren möchte über die Familie eines italienischen Industriellen, der aus Angst vor den „Roten Brigaden“ mit Frau und den beiden Töchtern nach Paris flieht, über Valeria und die besagte Carla Bruni, der möge sich diesen Film ansehen und nicht all die oberflächlichen Promi-Stories. Carla hieß dort Bianca und wurde gespielt von Chiara, Chiara Mastroianni. Genau: der Tochter.
Biographisch ist auch ihr zweiter Film „Actrices“, wenngleich nicht derartig entschlüsselbar. Valeria Bruni Tedeschi spielt eine Schauspieler und sie spielt im Film an dem Theatre des Armandiers in Nanterra, das real ihr Bühnendebüt erlebte. Der Star Marcelline (Bruni Tedeschi) probt dort die Hauptrolle der Natalaja Petrowna aus Turgenjews „Ein Monat auf dem Lande“. Und es ist die Hölle. Mit enormer Offenheit, extrem engagiert und verletzlich kämpft sie mit der Figur - und mit sich selbst. Denn selbst ihre Gynäkologin weist die bald 40-Jährige auf das Ticken der biologischen Uhr hin.
All die kleinen Momente, die Verletzlichkeiten, Zweifel, Unsicherheiten zeigen eine Frau mit so ehrlicher Offenheit, dass man schamhaft wegschauen möchte, es aber zu keiner Sekunde kann. Zwischen der Affäre mit dem Falschen, einer Vergewaltigung durch ihren nichtswürdigen Regisseur, den Zwiegesprächen mit einer mysteriösen Petrowna oder einem Sofa, fließt immer eine berührende Anmut der Schwäche, eine enorme Kraft im Selbstzweifel. Ganz nebenbei sind die Dialoge genial, die Rollen exzellent besetzt. Valeria - nach diesem Film denkt man, man dürfe sie duzen - spielt zusammen mit ihrer Mutter Marisa Borini, einer bekannten Konzertpianisten. Besser, sie rauft sich zusammen mit ihrer Mutter. Auch ein ziemliches Theater in diesem nicht einfachen Leben, das sich in diesen Nuancen nicht mehr beschreiben lässt, man muss es mit viel Mitgefühl erleben.