8.10.07
Gegenüber
BRD 2007 Regie: Jan Bonny mit: Matthias Brandt, Wotan Wilke Möhring, Victoria Trauttmansdorff 96 Min.
"Gegenüber", der vermeintlich "kleine Film" von Nachwuchsregisseur Jan Bonny überrascht mit einem großen, gewaltig erschütternden Drama.
Die Beziehung von Georg Hoffmann (Matthias Brandt) und Anne (Victoria Trauttmansdorff) wirkt nach mehr als zwanzig Jahren Ehe leicht angespannt. Die Lehrerin ist emotional gebrechlich, der ruhige und beliebte Polizist behandelt sie übermäßig vorsichtig. Georg ist Favorit für eine anstehende Beförderung zum Kommissar, aber so bescheiden, dass er selbst den eindeutig unfähigen, jüngeren Kollegen Michael (Wotan Wilke Möhring) vorschlägt. Zuhause erzählt der stille Mann nichts vom fast heldenhaften Einsatz, bei dem er Michaels Leben rettete. Zuhause schleicht Georg um Anne herum, immer krampfhaft bemüht, sie nicht aufzuregen, es ihr recht zu machen...
Solche Dramen kennt man, auch aus dem Kino reichlich. Doch dann bricht ein äußerst heftiges Psycho-Drama auf, das niemanden im Saal unberührt lässt. Hier sollte man eine Warnung vor dem Weiterlesen einbauen: Der Schock über alles, was sich hinter der Fassade einer nicht glücklichen, aber normalen Ehe abspielt, ist eindringlicher, wenn man vorher nichts ahnt. Es geht nicht nur um die eingeschlafene Sexualität. Oder die Leere, nachdem die Kinder aus dem Haus sind. Nein, ganz gegen die Erwartungen schlägt Anne ihren Mann regelmäßig mit unfassbarer Brutalität blutig und blau. Ihre psychotische Verachtung paart sich gewaltsam mit seiner unendlichen Erniedrigung. Und das ist kein sexuelles (Vor-)Spiel, das ist einfach nur nackte, verzweifelte Gewalt, erschütternd, schwer fassbar. Mit diesem Schock geht der Film in weitere Runden seiner Handlung, erklärt und entwickelt das Drama äußerst stimmig. Jetzt fügen sich die beklemmenden Familientreffs bei Annes völlig unsensiblem und rücksichtslosem Vater in eine psychologische Zwangsfolge von verletzenden Aktionen. Jetzt versteht man die erstickend verhaltene Stimmung, die Probleme der beiden Kinder, die immer alles gewusst haben und nie drüber reden konnten. Wobei all diese Szenen keineswegs die Distanz einer solchen Analyse haben, sondern voller Leben stecken. Leben in seiner grausameren Form! Exzellent auf sehr starke, entscheidende Szenen konzentriert.
"Gegenüber" ist der erste Kinospielfilm vom 1979 in Düsseldorf geborenen Jan Bonny, der an der Kölner Kunsthochschule für Medien studierte. Bis zum offenen Ende folgen Schlag auf Schlag gelungene Szenen, die verzweifelte Verstrickung in ungesunde Abhängigkeiten kann vielleicht zerrissen werden, der erschreckte Blick hinter die Fassade einer ganz normalen Ehe wirkt jedenfalls nach. Ein Muss für alle, die Gefühlskino nicht als Flucht vor hässlichen, aber echten Gefühlen sehen.