14.10.07

Gefahr und Begierde


USA, China, Taiwan 2007 (Se, jie / Lust, Caution) Regie: Ang Lee mit Tony Leung Chiu-wai, Wei Tang, Joan Chen 159 Min. FSK: ab 16
 
Mit "Gefahr und Begierde" gewann der Taiwanese Ang Lee zum zweiten Male nach 2005 ("Brokeback Mountain") den Goldenen Löwen der Filmfestspiele von Venedig. Mit seinem neuesten Film kehrte der ebenso meisterliche wie vielseitige Regisseur mit  in heimatliche Gefilde zurück: Die tragische Geschichte einer chinesischen Widerstandskämpferin unter japanischer Okkupation bietet edles Historienkino mit gefährlichen Leidenschaften.
 
Vorsicht: Lust! könnte auch der Titel des Films lauten, der auf einer Kurzgeschichte der populären chinesischen Autorin Eileen Chang basiert. Er erzählt von der Lust und der Vorsicht. Schwer zu balancieren für die junge Agentin Wong Chai Chi. 1942 während der japanischen Besetzung großer Teile Chinas, erleben wir in Shanghai den inneren Kreis aus Ehefrauen der Majonetten-Regierung. Beim Mahjong-Spiel belauern sie sich hinterhältig, doch was wirklich hinter den Fassenden der fein geschminkten Gesichter vor sich geht, enthüllt erst eine Rückblende: Bereits vier Jahre vorher suchte Frau Mak den Kontakt der mächtigen Frau Yee. Frau Mak ist in Wahrheit die Studentin Wong Chai Chi, die mit Kollegen einer Laien-Theater- und Laien-Widerstandstruppe den Verräter Yee umbringen will. Dabei schwärmte das Mädchen eigentlich nur für den jungen Anführer der Truppe. Die Studenten geben sich als Geschäftleute aus, ruinieren sich mit zu teurem Lebensstil, aber haben Erfolg: Wong Chai Chi wird Freundin der Frau Yee und fast die Geliebte des Kollaborateurs. Doch dann fliehen die Yees nach Shanghai und erst Jahre später wird Chai Chi erneut vom Widerstand kontaktiert. Jetzt geht der extrem vorsichtige, auch mit Folter beauftragte Sicherheitschef Yee auf das Verhältnis ein, doch die Verführerin Chai Chi verfällt ihm sexuell.
 
Faszinierend rekonstruierte und gemalte Sets lassen Shanghai und vor allem ein irritierend flach bebautes Hongkong der Vierziger Jahre aufleben. (Auch der Preis für die Beste Kamera ging an dieses Drama und seinen Kameramann Rodrigo Prieto.) Die Geschichte von der Gefahr, seinen Unterdrücker zu lieben, ist nicht wirklich neu und wie schon bei "Brokeback Mountain" wurde die intensive Kurzgeschichte mit erotischer Triebkraft - hier von der populären chinesischen Autorin Eileen Chang - episch ausgeweitet. Ko-Autor Lees war erneut sein langjähriger Produzent James Schamus. Erst auf dem Höhepunkt des Gefühlkonflikts Wong Chai Chis, die den jungen Widerständler liebt, aber den Feind ins Bett gehen muss (und dieser Lust verfällt), packt die Geschichte wirklich. Eindringlich sind dabei vor allem die sehr offenen Liebesszenen voller Gewalt und Intensität, von denen Ang Lee ("Sinn und Sinnlichkeit", "Eissturm") erzählt, sie hätten - mit ganz intimem Team hinter der Kamera - nur einen halben Tag arbeiten können, danach wären alle völlig ausgelaugt gewesen.