21.12.06

The Wind That Shakes The Barley


Großbritannien, Frankreich, Irland 2006 (The Wind That Shakes The Barley) Regie: Ken Loach mit Cillian Murphy, Liam Cunningham 124 Min.
 
Der siebzigjährige Ken Loach analysiert in dem diesjährigen Cannes-Sieger "The Wind That Shakes The Barley" den irischen Befreiungskampf auf erschütternde wie packende Weise und zeigt, dass es bei all diesen blutigen Auseinandersetzungen keine "Guten" geben kann. Mit "The Wind That Shakes The Barley" schaut der Brite Ken Loach nach nebenan, analysiert und dramatisiert drastisch den Kampf der Iren gegen brutale britische Kolonialisten. Aber auch den Niedergang der Utopie einer sozialistischen irischen Republik lässt der alte Kämpfer an der filmischen Rotfront nicht aus.
 
Im Irland des Jahres 1920 beginnt es harmlos mit einem Hockey-Spiel der Männer auf dem Feld. Weil dabei mehr als eine Handvoll Männer versammelt sind, eine verbotene Veranstaltung unter dem britischen Regime. Und so endet das Spiel mit dem brutalen Todknüppeln des jungen Ire, der sich die Schikane und die Erniedrigungen der englischen Soldaten nicht mehr gefallen ließ, der sich weigerte, seinen irischen Namen englisch auszusprechen. Nach nur zehn Minuten will man nie wieder einen britischen Pfund in London oder sonst wo im British Empire ausgeben. Nach einer halben Stunde ist man bereit, alle Queen Mum- und Princess Diana-Tassen dieser Welt zu zerschmettern, so wirkungsvoll lässt Loach sein Publikum, die Unterdruckung, die Folter und die Exekutionen erleben!
 
Doch "The Wind That Shakes The Barley" (der Titel entstammt einem Gedicht von Robert Dywer Jones) ist kein verlogenes Hollywood-Märchen von Unterdrückung und Befreiungskampf. Mit dem jungen, engelsgesichtigen Mediziner Damien (Cillian Murphy) fühlt man auch, was es heißt, Menschen für die eine oder andere politische Direktive umzubringen, wie sehr die Seele daran verkrüppelt, wenn das große Ziel den Mitmenschen zu eliminierbaren Spielfiguren macht. Nicht nur die frühe IRA und die Briten bringen sich und die Menschen dazwischen um. Später - als die Briten Irland (nicht Nord-Irland!) schon verlassen haben - geht das Morden zwischen den Fraktionen der Befreiungskämpfer weiter, klassisch angelegt im Kampf zwischen Damien und seinem älteren Bruder Teddy (Pádraic Delaney).    
 
So wie man Ken Loach aus vielen anderen Filmen wie "Land and Freedom", "My Name is Joe" oder "Carla's Song" kennt, nehmen auch diesmal das Engagement für die Unterdrückten, der liebvolle und auch genaue Blick mit. (Erneut förderte die Filmstiftung NRW einen Ken Loach-Film.) Historische Genauigkeit zeichnet "The Wind That Shakes The Barley", diesen zeitweise konstruiert wirkenden Loach aus, etwa darin, nicht die jungen britischen Soldaten als Bösewichte zu zeichnen, sondern die herrschende Schicht der Ausbeuter verantwortlich zu machen. So wäre es fast putzig, wenn es nicht so grausam wäre, zu sehen, wie Amateure des Guerilla-Kampfes es mit einer Armee aufnehmen, die seit Jahrhunderten in Ausbeutung und Unterdrückung von Völkern weltweit spezialisiert ist.
 
Ein großer, packender historischer Film mit Herz und Leidenschaft, der als Cannes-Sieger ein großes Publikum erreichen sollte.