5.12.06
Departed. Unter Feinden
USA 2006 (The Departed) Regie: Martin Scorsese mit Leonardo DiCaprio, Matt Damon, Jack Nicholson 151 Min.
Scorseses Neuer strotzt nur so vor Schauwerten. Der erste Nicholson-Film nach drei Jahren. Der dritte Scorsese mit DiCaprio. Und sowieso: Scorsese! Das Regie-Genie schafft es, wieder voll in sein Lieblingsmilieu einzutauchen, in den mafiösen Untergrund von Little Italy. Dabei kommt nie das Gefühl auf, man hätte das schon mal gesehen. Was an der hochkomplexen Vorlage aus Hongkong liegen mag...
Maulwürfe sind hochspannend! Nicht die sich fast blind unter der Erde buddeln, sondern die sich mit fremder Identität getarnt in eine gegnerische Organisation wühlen. Wenn nun gleich zwei dieser "Unterwühler" auf verfeindeten Seiten gegenüber stehen, wird es richtig schön komplex.
Colin Sullivan (Matt Damon) wurde schon als kleiner Junge von Bostons Mafiaboss Costello (Jack Nicholson) unterstützt und protegiert. (Man achte auf die Einkaufstüte, sie kehrt am Ende zurück!) Nach Aufstieg und Erfolg strebend, absolviert er die Polizeischule und hat auch als Offizier den Ruf eines Überfliegers. So kommt er in eine Spezialeinheit, die ausgerechnet Costello jagen soll.
Billy Costigan (Leonardo DiCaprio) stammt aus dem gleichen Viertel wie Colin, will aber von seiner kriminellen Umgebung nichts mehr wissen. Deshalb geht er auf die Polizeischule, erntet jedoch nach dem Abschluss nur Misstrauen. Die einzige Perspektive: Als Undercover-Agent zurück ins Milieu, um Costello zu bespitzeln.
Martin Scorseses Remake des inzwischen dreiteiligen Hongkong-Hits "Infernal Affairs" bleibt durchgehend extrem spannend und nutzt alle Finessen dieses raffinierten Plots. Colin setzt sein eigenes Team auf sich an. Beide Spitzel gehen zur gleichen Analytikerin. Dank Terror-Gesetze wird alles überwacht, doch mit heimlichen Handy-Duelle ist die Warnung immer schneller als der Zugriff. Man darf niemandem trauen, aber vielleicht gibt es ja auch noch andere Undercover-Kollegen?
Scorsese trumpft direkt mit einem starken Start von Nicholson auf: Dessen Gesicht bleibt lange im Dunkeln, bevor er uns einige der unnachahmlichen Grimassen schenkt. Sein Costello ist auch ein Schlüssel zur zeitweise sehr unübersichtlichen Geschichte: Es geht immer auch um Väter und Söhne. Wenn die Episoden um Costellos Gelüste und seine augenscheinliche Unfruchtbarkeit erst nebensächlich erscheinen, deuten sie doch auf die eigentliche Triebfeder, wenn Ziehsohn Colin im finalen Lamento fragt: "All das nur, weil du keine Kinder kriegen kannst?"
Die beiden Maulwürfe haben einiges gemeinsam. Und eigentlich macht es auch keinen Unterschied, wer auf welcher Seite steht. "Gute" oder "Böse" gibt es längst nicht mehr. Sie sind sich zum Verwechseln ähnlich und doch so gegensätzlich: DiCaprios einsamer Billy, mit dem bitter dunklen Blick, muss seine Familienbande aktivieren, die er loswerden wollte. Er sucht Gerechtigkeit und ein Heim. Doch die Beziehung zum väterlichen Vorgesetzten (Martin Sheen!) muss geheim bleiben. Colin will immer nur den Erfolg. Sein Blick in der Luxuswohnung geht hin zur allgegenwärtigen goldenen Kuppel des Capitols, zur Macht. Dass von dort auch Recht und Gerechtigkeit ausgehen könnte, lässt ein pessimistischer Blick der Kamera zum Ende hin spüren. Wenn dann die totale Verstrickung nur den Ausweg lässt, gleich alle zu erschießen, sollte sich die dramaturgische Enttäuschung mit der deutlichen und deprimierend moralischen Stellungnahme Scorseses trösten.