12.9.06
Das Parfum - Die Geschichte eines M ö rders
BRD 2006 (Das Parfum) Regie: Tom Tykwer mit Ben Whishaw, Dustin Hoffman, Alan Rickman 147 Min. FSK: ab 12
Es hat immer etwas anrüchiges, wenn Produzent Bernd Eichinger Literatur verfilmt: "Fräulein Smillas Gespür für Schnee", "Das Geisterhaus", "Die unendliche Geschichte" waren eher Verwertungen des Buches als Wertschätzungen. Auf der anderen Seite Tom Tykwer: Einer der besten deutschen Regisseure unserer Zeit, mit "Lola rennt" begeisterte er international und nachhaltig. Kann Tykwer gegen Eichinger, den großen Egomanen des deutschen Films, anstinken?
Es beginnt großartig: Nur eine Nase wird aus dem Dunklen herausgeleuchtet. Sie gehört, nein: sie beherrscht den Häftling Jean-Baptiste Grenouille. Dann beginnt Jean-Baptiste - mit der elektrisierenden Stimme Otto Sanders - seine Lebensgeschichte zu erzählen und auf der Leinwand entfaltet sich großes Geruchskino: Auf einem dreckigen, lärmenden Fischmarkt geht die junge Verkäuferin nur kurz zu Boden, um noch ein Kind zu gebären und es dann zum Fischabfall zu schieben. Fliegen und Maden kriechen herum, Dreck und Gestank sind fühlbar! Wir sind im 18. Jahrhundert. Doch dieses Baby geht in der Welt der Gerüche auf, weigert sich zu sterben und richtet mit seinen ersten Schrei gleich die Mutter. Vom wütenden Mob wird sie als Kindmörderin gemordet.
Mit diesem Auftakt bewegt sich Tom Tykwer direkt im filmischen Olymp, diese Szene könnte wie der Pferdekopf voller Aale aus Schlöndorffs "Die Blechtrommel" einen festen Platz im Gedächtnis des Kinos einnehmen. Doch dann nimmt das Schicksal seinen Lauf. Bei Jean-Baptiste über Waisenhaus, Gerberei und den italienischen Parfumeur Baldini (Dustin Hoffman). So wie es Patrick Süskind in seinem gleichnamigen Erfolgsroman vor mehr als 20 Jahren schrieb. Gegen eine Verfilmung wehrte er sich lange, dann bekam der Freund Bernd Eichinger doch die Rechte. Und der Erfolgsproduzent holte sich einen enorm begabten Regisseur hinzu. Das Ergebnis ist ein K.O.-Sieg für Eichinger.
Auf Jean-Baptistes Weg zum perfekten Geruch erleidet der Junge Schläge und Demütigungen, gehalten nur von der Gewissheit einer besonderen Zukunft. In Paris führt ihn der Geruch einer jungen Frau zur Obsession, deren Aroma zu konservieren. Wie ganz nebenbei alle Weggefährten von Jean-Baptiste nach seinem Weggang tragisch verunglücken, werden auch die Jungfrauen ein nicht besonders bedauertes Opfer der Duftherstellung. Die Ruchlosigkeit des schnell lernenden Parfumeurs geht einher mit einer Geruchlosigkeit, die ihn fast unsichtbar macht. Nur durch künstliche Düfte kann er sich bei den Mitmenschen einschmeicheln. Doch bis er seinen eigenen Duft gefunden hat, müssen in Grasse, dem provenzalischen Mekka des Parfums, reihenweise Jungfrauen nach den Regeln der klassischen "Enfleurage" gemordet, eingefettet und enthaart werden...
Hier, beim seriellen, seelenlosen Morden wird der Roman am schrecklichsten ver-filmt. Im Schweinsgalopp geht es durch die Geschichte, keine Zeit für Filmkunst, richtige Atmosphäre. Und dann im Finale, endlich Zeit, die Schauwerte grob raushängen zu lassen: 50 Mio. Euro hat es gekostet, "Das Parfum", das die Massen berauschen soll. 750 Statisten wälzten sich nackt auf dem vermeintlichen Marktplatz von Grasse. Weniger ist mehr - das hat Tykwer bislang in allen seinen Filmen gezeigt. Aber nicht mit Eichinger!
So bleiben einige grandiose Szenen in Erinnerung, Schauspiel mal exzellent (Alan Rickman als sorgender Vater), mal albern (Dustin Hoffman) und als bemerkenswertes Debüt der Theatermann Ben Whishaw in der Hauptrolle.