22.6.22

Elvis (2022)


Australien, USA 2022, Regie: Baz Luhrmann, mit Austin Butler, Tom Hanks, Helen Thomson, 160 Min., FSK: ab 6

Die Rock-Legende Elvis Presley (1935-1977) mal ganz anders und doch in den von Austin Butler gebrachten Songs zum Verwechseln ähnlich: Baz Luhrmann („Der große Gatsby", „Moulin Rouge!") bringt eine ungewöhnliche Biografie vom „King of Rock'n'Roll" auf die Leinwand, in der sein Manager „Colonel" Parker die zweite Hauptrolle spielt.

Was die Musik von Schmalzlocke Elvis, dieser fetten Vegas-Attraktion einst ausgelöst hat, ist heute schwer vorstellbar. Doch Baz Luhrmann, Schöpfer großer Film-Musicals und anerkannt für allerbeste Filmmusiken, lässt das Phänomen Elvis in wenigen Szenen wieder aufleben: 1955 ist der weiße Country-Sänger Hank Snow der Star, tourt mit der Kirmes-Show von Colonel Parker (Tom Hanks) durchs Land, als dessen Sohn begeistert eine Schallplatte auflegt, die jetzt überall gespielt wird. Parker horcht auf, weil diese eindeutig „schwarze Musik" von einem Weißen gesungen wird und fährt zur nächsten Show des jungen, unbekannten Elvis Presley. Dort erlebt er eine Offenbarung, die Verwandlung eines schmächtigen Jüngelchens (Austin Butler) in einen Superhelden beim ersten Wippen des Fußes zum Rhythm & Blues. Dass ein Weißer diese Musik macht, ist schon sensationell. Wie er sie dann live bringt, ein Erdbeben. Grandios, wie angesichts seiner wippenden Hüften das Kreischen reihenweise aus den Mädchen und Frauen herausbricht. Jung und alt, frei oder spießig - keine kann dieser Musik widerstehen.

Daraufhin startet der obskure Strippenzieher vom Zirkus seine Verführung im Spiegelkabinett und schließt auf dem Riesenrad einen Teufelspakt mit dem jungen Talent. Von hier an geht die Karriere ab wie der Superheld Flash, der Klein-Elvis immer sein wollte. Rückblenden zeigen die Wurzeln seiner Musik: Wie er allein mit seiner Mutter in einer schwarzen Armen-Siedlung die Verbindung von Blues, Gospel und Erotik erlebte, bringt Luhrmann in einer der vielen genialen Montage-Sequenzen aus mitreißenden Bild- und Musikmixen. Wie schon in „Moulin Rouge" gibt es bekannte Hits in modernen Remixen. In der schwarzen Beale Street von Memphis erlebt Elvis im „Club Handy" Little Richard und freundet sich mit B.B. King an. Von weißen Gleichaltrigen wird er dafür verspottet, die tief gefühlte Solidarität mit den unterdrückten Afroamerikanern bleibt ein großes Thema des Films. Elvis tritt immer wieder als Gegner der Rassentrennung auf.

Der „Elvis" von Baz Luhrmann ist lange Zeit ein Rebell. Ein Sänger, dem sein Lied verboten wird, weil er zu viel erotischen Hüftschwung hatte. Ein Teenie-Schwarm, von konservativen Politikern verfolgt und in den Militärdienst gezwungen. Von Oktober 1958 bis Februar 1960 bei der Army in Deutschland lernt er Priscilla kennen, die Stief-Tochter eines kanadischen Luftwaffenoffiziers und bald Frau des Stars. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich der Rocker längst in einem kreativen Dauerkampf mit seinem Manager, macht kitschige Weihnachts-Shows, während er zu den Unruhen im Land, zur Ermordung von Martin Luther King Stellung beziehen will. Der Film läuft schon zwei Stunden, als Elvis mal kräftig zu den Drogen greift. Von da an verschwindet der Song „Caught in a trap" nicht mehr von der Tonspur. Colonel Parker hat Elvis in seiner Falle, im Goldenen Käfig Las Vegas, gefangen.

Tom Hanks spielt den Niederländer (der in der deutschen Synchronisation seltsam osteuropäisch klingt) als fetten Vampir, der lächelnd alles Leben aus dem jungen Rebellen saugt. Ganz banal waren es Spielsucht und Schulden, die zu dem jahrelangen Deal mit einem Casino in Las Vegas führten. Der Niederländer, der trotz seines Namens niemals beim Militär war, erinnert die Elvis-Geschichte schwerkrank von seinem Sterbebett, während er im Delirium durch verlassene Spielhallen irrt. So erzählt der Film auch vom Kampf zwischen freier Kreativität und den Managern, den Konzernen, den Verlegern. Ein Kampf, den immer das Geld gewinnt. Obwohl „Elvis" keine Erfolgsgeschichte mit Happy End ist, obwohl die Gefangenschaft im eigenen Ruhm von Vegas sehr bedrückend rüberkommt, wirkt der Film trotzdem gütig beschönigend. Die Gehässigkeit der Presse, die sich auf die sehr mäßige Performance im Casino stürzte, findet nur kurz Erwähnung. Wenn in den Originalaufnahmen der letzten Minuten Tragödie und Talent verschmelzen, berührt der „wahre Elvis", der da nur noch ein Clown mit viel Bling-Bling war.

Dabei will der unsympathische Colonel Parker auch immer die „Greatest show on earth", die größte Show der Welt auf die Bühne bringen. Ein Verlangen, das Regisseur Baz Luhrmann gut verstehen kann, ist doch jeder seiner Filme eine große, grandiose Show.