4.4.22

Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen?


Deutschland, Georgien 2021 (Ras vkhedavt, rodesac cas vukurebt?) Regie: Alexandre Koberidze, mit Giorgi Bochorishvili, Ani Karseladze, Oliko Barbakadze, Giorgi Ambroladze, 151 Min., FSK: ab 0

Boy meets girl. Doch dann erkennt das Mädchen ihre Liebe nicht mehr. Und umgekehrt. Das wunderbare georgische, im magischen Realismus aufgenommene Märchen verflucht die Liebenden und verzaubert die Zuschauer.

Die Liebe auf den ersten Blick von Lisa und Giorgi in der georgischen Stadt Kutaissi fällt einem Fluch zum Opfer, sodass sich beide selbst nicht mehr im Spiegel wiedererkennen. Sie sitzen zwar im verabredeten Café, aber sehen sich nicht. Auch der Alltag ist nicht einfach, wenn man nicht mehr das gleiche Gesicht hat. Nicht nur wachen sie in anderen Körpern auf, auch ihre besten Eigenschaften gehen verloren: Giorgi verliert sein Fußballtalent, Lisa ihr Medizinwissen. Sie wird deshalb Kellnerin beim vereinbarten Treffpunkt, dem Café an der weißen Brücke. Und zufällig wählt der Chef dort auch Georgi für einen Job aus. So sind sie täglich in Sichtweite, ohne sich zu erkennen. Wie im großen romantischen Meisterwerk „Made in Heaven" haben die Liebenden eine gewisse Zeit, sich wieder zu finden.

Beim ersten Aufeinandertreffen von Lisa und Giorgi sehen wir nur ihre Füße, die zweite Verabredung zeigt sie im nächtlichen Panorama der Stadt winzig klein. Es gibt um die leichte Liebesgeschichte viel Sommerstimmung in der alten Stadt Kutaisi, speziell im Sommer mit Fußball-WM. (Welche auch die Hunde verfolgen.) „Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen?" ist ganz, ganz großer Filmgenuss in Tradition von Nouvelle Vague und des „großen Georgiers" - nicht Stalin, sondern Otar Iosseliani! Spürbar ist sein Einfluss im gewitzten Umgang mit scheinbar nüchterner Umgebung.

Das Filmglück ist keine große Studioproduktion, viel wurde dokumentarisch „vor Ort" aufgenommen und mit der Magie des Alltags bereichert. Erhebend wird das Leben eingefangen: Auf dem Schulhof oder dem Bolzplatz im Spiel verlorene Mädchen und Jungen, in Zeitlupe zu „Un'estate italiana" von Gianna Nannini und Edoardo Bennato. Dann wunderbare Stillleben in einem Kino, das sich auf beste Weise Zeit lässt. Oder eine idyllische Landpartie, ebenso mit ungeheurer Leichtigkeit inszeniert. Bis zum Finale, das sehr romantisch beweist, dass Film doch die Wahrheit zeigt.