27.7.21

Old


USA 2021 Regie: M. Night Shyamalan, mit Gael Garcia Bernal, Vicky Krieps, Rufus Sewell, Alex Wolff, Thomasin McKenzie, 109 Min. FSK ab 16

„Gestern waren wir noch Kinder" – dieser sonst einfach sentimentale Satz wird im neuen Mystery-Thriller von M. Night Shyamalan („The Sixth Sense", „Split") zur bitteren Schlussnote einer fantastischen Begebenheit. Es beginnt mit einem überraschend traumhaften Urlaub für die Eltern Guy und Prisca (Gael García Bernal, Vicky Krieps) mit ihren beiden Kindern Trend und Maddox. Nicht nur ist das Resort atemberaubend luxuriös, schon die Begrüßung macht große und kleine Gäste zu Königen. Trotzdem sind die Probleme des Paares unübersehbar: Die schwere Krankheit Priscas soll den Kindern nach dem Urlaub bekanntgegeben werden. Eine Affäre ist nicht vergessen. Aber erst lädt der Resort-Chef die Familie zu einem besonders abgelegenen Strand ein.

Zwar sind die vier nicht die Einzigen, die im Bus zur einsamen Bucht gebracht werden, doch sie lohnt sich. Bis man sich zusammen über den abseitigen Rapper namens Mid-Sized Sedan (Aaron Pierre) mit seiner blutenden Nase wundert. Und dann treibt auch schon eine Leiche um die Ecke. Die Kinder sind derweil in ein paar Minuten so gealtert, dass ihre Eltern sie nicht wiedererkennen. Unerklärliches folgt Schlag auf Schlag, bis die Gruppe erkennt, dass während jeder Stunde in dieser Bucht zwei Lebensjahre vergehen. Das Ende des Tages bedeutet für die Erwachsenen den Tod. Selbstverständlich ist der Zugang zum Strand versperrt: Nicht physikalisch, aber jeder der durch die Felsen heraus will, findet sich mit verwirrten Kopf wieder am Strand zurück. Die Wellen sind bedrohlich hoch.

Leben im dramatischen Zeitraffer ist ein reizvolles Film-Experiment, zu dem M. Night Shyamalan witzigerweise persönlich seine Figuren in einem Cameo in die Bucht fährt. Der Chirurg unter den Eingebuchten vollbringt eine Tumoroperation am Strand, wobei sich die Wunde wie bei Superhelden von selbst verschließt. Andere Krankheiten werden wundersam geheilt oder beschleunigt, in dieser seltsamen Variante von Fantasy Island.

M. Night Shyamalan ist berühmt-berüchtigt für seine Schluss-Szenen, die alles auf den Kopf stellen – siehe „Ich sehe tote Menschen" in „The Sixth Sense". Bei der unglaublichen Geschichte „Old", basierend auf der Graphic Novel „Sandcastle" von Pierre-Oscar Lévy und Frederick Peeters, fällt diese typische Shyamalan-Auflösung banal und wenig originell aus. Zynische Machenschaften werden wie ein Beipackzettel zum Film angehängt, nachdem das Rätsel dieses Ortes gelöst ist.

Das trübt aber kaum das Vergnügen am Strandtag mit reizvollen Darstellern. Gael García Bernal („Amores Perros", „Die Reise des jungen Che", „Mozart in the Jungle") ist als hervorragend gesetzt, auch wenn seine Rolle diesmal eine stille ist. Vicky Krieps („Das Boot"), das Gesicht für Seltsames schon als Assistentin von Daniel Day Lewis' Modezar in „Der seidene Faden", hat die aktivere Rolle der Mutter. „Im Alter" wird das zerstrittene Paar dann rührend komisch: Seine Augen verlieren ihre Kraft und sie hört nur noch schlecht. Aber auch Drama gibt es genug in „Old", denn der Wahnsinn greift immer mehr um sich. Zwar bleiben kleine Messerstiche letztlich harmlos, doch kenntnisreiche Nuancen erweisen sich als wirkungsvoll.

Das muss man auch zur Filmkunst von M. Night Shyamalan sagen, der aus der außerordentlichen Erscheinung einer schnellalternden Bucht kein weltbewegendes Ereignis macht. Aber mit gutem Schauspiel und spannender Kamera (immer dicht an den Figuren dran) hält er auch uns an diesem Strand gefangen.