6.7.21

Black Widow


USA 2020 Regie: Cate Shortland, mit Scarlett Johansson, Florence Pugh, Rachel Weisz, David Harbour, Ray Winstone 134 Min. FSK ab 12

Eine Leiche aus der Mottenkiste von Marvels Action-Figürchen bekommt endlich ihren eigenen Film. Die mittlerweile auch in der Avengers-Reihe verstorbene Natasha Romanoff (Scarlett Johansson) erlebt im lange angekündigten und verzögerten „Black Widow" Kindheit und Ursprünge, um dann mit einer uneigentlichen Schwester etwas albern Bond zu spielen. Mit viel Frauen-Power produzierte das Marvel-Fließband wenig Überraschendes.

Die Geschichte der Black Widow genannten Comic-Figur Natasha Romanoff mit unzähligen Episoden in Print und Film nachzuerzählen, erforderte viele Seiten. Von den wahren Eltern geraubt, lebte sie schon als Kind in einer Schein-Familie zwischen den Spionage-Fronten des Kalten Krieges. Dann die Ausbildung zur Super-Agentin in der post-sowjetischen Geheimorganisation Red Room und das Überlaufen in die USA. Mit und gegen die Überhelden-Figur Iron Man dann noch ein paar Wechsel der Seiten (KGB, S.H.I.E.L.D., Avengers) und kompliziertes Liebesleben: Captain America, Winter Soldier, Hawkeye und Daredevil (Thor) sind unter anderem Partner. Also reichlich Material für ein Bio-Pic, könnte man meinen. Allerdings beweist „Black Widow" vor allem, dass Marvel mit Frauen nicht viel anfangen kann.

Die australische Regisseurin Cate Shortland gestaltet den Anfang spannend: Das Familienleben mit Mama (Rachel Weisz) und Papa (David Harbour) im beschaulichen Ohio wird brüsk beendet, weil er als Spion aufgeflogen ist und sofort nach Kuba fliehen muss. Das Reizvolle dabei: Eine kurze Szene zwischen Mutter und Tochter, ein Blick, die Worte „Es tut mir leid" zeigen, dass Natasha durchaus wusste, welche Rolle sie spielte. Im Gegensatz zur jüngeren Schwester Yelena. Die bekommt als erwachsene Agentin (Florence Pugh) die nächste Action-Szene im Stile von Bond mit Scharfschützinnen und viel Rennerei. Dabei sorgt ein rotes Pulver dafür, dass die Gehirnwäsche des Red Rooms aufgelöst wird. Yelena Belova ist keine Killer-Maschine mehr und flüchtet vor der eigenen Organisation. Selbstverständlich bringt sie dabei der Zufall mit der entfremdeten Schwester Natasha (Scarlett Johansson) zusammen. Nun wollen sie am Zerstörer ihrer Kindheit, dem Agenten-Boss Dreykov (Ray Winstone), Rache nehmen.

Die typisch amerikanische Jugend der Spion-Tochter und der Drill zur seelenlosen Agentin, in einer Montage verglichen mit Schweine-Zucht, weckt Hoffnungen auf Action mit psychologischem Tiefgang. Doch wenn Natasha und Yelena nach vertrauter Schnitzel-Jagd mit Bond-Episoden rund um den Globus wieder mit Mama Melina und Papa Alexei am Tisch sitzen, fehlt es der Familienzusammenführung an Gefühlen. Es ist zwar haarsträubend, was man den beiden Mädchen angetan hat, aber nun machen alle auf TV-Comedy. Der russische Superheld The Red Guardian geriet zur Witzfigur, Melina experimentiert mit Gedankenkontrolle an niedlichen Hausschweinen. Sind wir hier in eine der skurrilen Folgen des Marvel-Ablegers „WandaVision" geraten? Aber die rettende Action lässt nicht lange auf sich warten. Schade nur, dass bei recht flotter Inszenierung selbst die Verfolgungsjagden mit Kabbeleien der Schwestern lachhaft gemacht werden. Florence Pugh („Little Women", „Midsommar") gibt als Yelena Belova den komischen Action-Sidekick, der dauernd über Natashas alberne Kampf-Gesten und ihre Beziehungen zu Göttern lästert.

So geriet das Solo der beliebten Figur „Black Widow" bei der großartigen Regisseurin fürs Menschliche Cate Shortland („Berlin Syndrom", „Lore") zur belanglosen Bond-Imitation. In vielen Kategorien mehr als gut besetzt und produziert, ist das noch ansehnlich. Größere Erwartungen müssen allerdings enttäuscht werden.

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„Black Widow" startet Donnerstag bundesweit in den Kinos und Freitag auf Disneys Streaming-Kanal. Also nicht exklusiv zur Premieren-Auswertung für die Filmtheater. Dass viele Kinos den Film nicht zeigen, ist nicht nur ein Protest gegen den historischen Tabubruch in der bewährten Verwertungs-Kette. Auch die Verhandlungsführung sorgt für Kritik: „The Walt Disney Company stellt uns Kinobetreiber vor neue Vertragsbedingungen, die wir so nicht akzeptieren können. Diese Bedingungen sind nicht das Resultat von Verhandlungen, sondern sie erfolgen seitens Disney als Diktat", meint Benjamin Riedel, Assistent der Geschäftsführung des Dürener Lumen. Dieser Protest wird an der Grenze zu den Niederlanden und Belgien allerdings aufgeweicht, weil dort die großen Kinos alle „Black Widow" zeigen. Auch das Corso in Hückelhoven beteiligt sich nicht.