5.5.14

Über-Ich und Du

BRD 2014 Regie: Benjamin Heisenberg mit André Wilms, Georg Friedrich, Susanne Wolf, Margarita Broich, Bettina Stucky, Maria Hofstätter, Eisi Gulp 94 Min.

Die Begegnung eines vor seinen Schulden davonlaufenden kleinen Gauners mit einem großen, alten Psychologen, der spät seine Schuld im Nazi-System aufarbeiten will, schlägt in dieser geistreichen Komödie reichlich Funken. Mit Georg Friedrich und André Wilms genial besetzt, überrascht Benjamin Heisenbergs Nachfolger von „Der Räuber" in einem ganz anderen Genre äußerst positiv.

Darf man mit dem Unbewussten Schabernack treiben? Regisseur Benjamin Heisenberg („Schläfer", „Der Räuber") gelingt dies mit dem fulminant aufspielenden, ungleichen Pärchen André Wilms und Georg Friedrich vortrefflich: Friedrich ist der Filou Nick, der sich auf der Flucht vor Geldeintreibern zufällig in dem doch nicht leerstehenden Nobelbungalow des hochbetagten Star-Psychologen Curt Ledig (Wilms) verstecken will. Nun offiziell Hausverwalter, zieht der Gauner das geistige Genie mit in die Unterwelt, wo die Hehlerin „Mutter" kräftig Prügel austeilen lässt, weil noch eine Schuld offen steht. Auf der Hand liegende Fragen wie „Hat Mutter dich schon früher geschlagen?" sind nur ein Anlass, um den kleinen Gangster in den unmöglichsten Situationen der Psychoanalyse zu unterziehen. Dabei hat auch der Psychologe, der seit Jahrzehnten keine Therapie mehr gemacht hat, Schuld. Seine Karriere, die später mit Bundesverdienstkreuz und Karlspreis honoriert wurde, begann mit Hilfe von Goebbels. Nun will der alte Mann, der nicht nur am Stock, sondern gleich an zwei Walking-Stöcken geht, diese Vergangenheit aufarbeiten. Und gleichzeitig diesen „nicht uninteressanten Mann", diesen „freundlichen Rumtreiber, widerspenstig und wütend" therapieren. Dabei geht allerdings einiges schief, in einer Übersprungsreaktion übernimmt Nick das Zucken der Augen (im akrobatisch raschen Wechsel) von Ledig. Auch dessen vermeintliche Unmöglichkeit, Küchen zu betreten, befällt nun den Herumtreiber. Es muss zu drastischeren Methoden gegriffen werden, während die herbeigeeilte Familie der Psycho-Koryphäe versucht, den Patriarchen zu schützen.

Der Gangster und der Psycho - so was gab es schon mal mit DeNiro, doch Benjamin Heisenberg macht es geistreicher und auch ein wenig verrückter. Für die verrückte filmische Versuchsanordnung wirken die beiden Hauptdarsteller wie geschaffen: Georg Friedrich ist ein Meister im proletarisch österreichischen Dialekt und einer Mimik, die sich grob aggressiv gibt, aber oft mit der Angst eines kleinen Jungen endet. Eine „Promenaden-Mischung aus Kanal- und Lese-Ratte". André Wilms, bekannt von Kaurismäkis „La vie de la Boheme" und „Le Havre", gibt den verrückten Professor aus dem Elsass mit natürlich französischem Akzent und einem herrlich naiven Witz in seinen Sätzen. Nicht nur wenn die „Sinnkrise des kleinen Gangsters" mit „Nazi-Voodoo" behandelt wird, machen auch solche Ausflüge ins Absurde viel Spaß. Psychologische Hauptseminare mögen sich in den nächsten Jahrzehnten mit den versteckten Referenzen und tiefer liegenden Bedeutungen auseinandersetzen. Selbst wenn sich das Finale etwas im Chaos verliert - fürs Erste vergnügen diese Psycho-Buddies auf ungewöhnliche Weise aber vortrefflich.