19.10.10

Ondine - Das Mädchen aus dem Meer


Irland, USA 2009 (Ondine) Regie: Neil Jordan mit Colin Farrell, Alicja Bachleda-Curus, Alison Barry, Stephen Rea 111 Min.

Es ist eine grandiose Irland-Geschichte zwischen Fabel und Thriller, die Neil Jordan („Mona Lisa“) da mit „Ondine“ ins Netz gegangen ist. Oder gehen wir ihm ins Netz, wenn wir lange rätseln, ob der Autor und Regisseur hier ein Märchen erzählt...

Kurz darf man den Salzgeschmack der irischen Meeresküste schmecken, da geht dem Fischer Syracuse (Colin Farrell) eine junge Frau ins Netz. Eine Meerjungfrau? Das panische junge Wesen (Alicja Bachleda-Curus) hat auf jeden Fall keinen Namen und möchte von keinen anderen Menschen gesehen werden. Erst einen Tag später, nachdem Syracuse sie in seiner abgelegenen Hütte untergebracht hat, will sie Ondine genannt werden und sorgt mit einem Gesang in fremder Sprache für sagenhaften Fang.

Zwischendurch kümmert sich der raue Seemann Syracuse rührend um seine zuckerkranke Tochter Annie (Alison Barry), fährt sie zur Dialyse, erzählt ihr Geschichten. Dass hinter seinem Märchen von der Meerjungfrau mehr steckt, ahnt das ebenso lebenslustige wie hochintelligente Mädchen schnell. Sie informiert den Vater auch, dass es zu jeder Nixe einen eifersüchtigen Mann gibt, der sie wieder in die Tiefen zurückziehen will. Und schon taucht ein düsterer Fremder im kleinen Fischerdorf auf. „Verquerer und verquerer!“ zitiert Annie „Alice im Wunderland“. (Curiouser and curiouser! im Original, das unbedingt vorzuziehen ist!) Und tatsächlich häufen sich die wundersamen Ereignisse. Oder sind es alles Zufälle, die in den Augen eines fantasievollen Wesens märchenhaft erscheinen?

Neil Jordan, der mit „The Crying Game“ eine politische Irland-Geschichte erzählte und auch mal Märchen wie „Die Zeit der Wölfe“ oder „Interview mit einem Vampir“ drehte, gelingt mit „Ondine“ eine geniale Vermengung von Geschichten. Über fein gesponnen komödiantische und doppelsinnige Dialoge changiert die Welt um Syracuse dauernd zwischen Märchen und rauer Realität. Denn der Fischer (Colin Farrell - kaum wieder zuerkennen) ist trockener Alkoholiker, wie aus den köstlichen Gesprächen mit seinem Freund und Priester (Crying Game-Star Stephen Rea) hervorgeht. Aber trotz seiner Fürsorge bleibt das Sorgerecht für Annie bei der saufenden Mutter Maura (Dervla Kirwan) und ihrem verdächtigen Partner.

Der Ire Jordan und sein genialer ozeanisch-asiatischer Kameramann Christopher Doyle begeistern mit ungewöhnlichen Perspektiven und den schönsten Irischgrün-Tönen, die eine Kamera einfangen kann. Sie reihen eine Perle der Bildgestaltung an die nächste. Ein Bilderbuch-Märchen für sich! So ergibt sich ein ungemein dichtes Meisterwerk, das ganz real ein Thriller wird, psychologisch sehr klug gestrickt ist, Sigur Rós eine entscheidende Rolle gibt und viel zu märchenhaft ist, um es auf eine Kritik zu reduzieren.