1.6.10

Forgetting Dad


BRD 2008 (Forgetting Dad) Regie: Rick Minnich, Matt Sweetwood 84 Min.

Was macht einen Menschen zu einem Individuum und was ist, wenn nur noch die äußere Hülle übrig bleibt? Rick Minnich hat erlebt, wie sein Vater durch einen völligen Gedächtnisverlust zu einem Fremden wurde. Die bewegende und spannende Dokumentation „Forgetting Dad“ von Minnich und Matt Sweetwood zeichnet diesen Verlust einer ganzen Familie nach und versucht vergeblich eine letzte Annäherung.

Es war ein Auffahrunfall in Sacramento im Jahre 1990: Kurz danach fühlte sich Richard Minnich immer schlechter und konnte sich ein paar Tage später plötzlich an nichts mehr erinnern. Der 44-Jährige verhält sich wie ein kleines Kind. Dann, nachdem er viele Dinge wieder gelernt hat, wie ein Fremder ohne emotionale Bindung zu den Menschen, die ihn umgeben. Während dieser außergewöhnliche Wandel in den USA stattfand, studierte der Sohn Rick Minnich Film in Berlin. Bei der Rückkehr hatte er seine Kamera dabei, so gibt es eine Menge privater Aufnahmen, um 15 Jahre Entfremdung nachzuerzählen.

Dieser Riss im Leben, oder genauer: dies neue Leben, ist ein faszinierendes Ereignis, das uns neben der spannenden und emotional aufgeladenen persönlichen Geschichte von Ko-Regisseur Rick Minnich viel über das Wesen von Persönlichkeit erzählt. „Forgetting Dad“ lässt den Abschied von einer Person, die nur äußerlich noch da ist, miterleben. Die Persönlichkeit des „alten Richard“ verschwand. „Schlimmer als wenn er gestorben wäre“, sagt unter Tränen Richards Schwester, eine der vielen Familienmitglieder aus drei Ehen vor der Kamera.

Aber selbst nach Jahrzehnten der Entfremdung bleibt der Verdacht, dass der sehr intelligente Richard dies alles nur spielt. Vielleicht um den Unregelmäßigkeiten bei seiner Bank zu entkommen? Steve, der prollige Stiefbruder des Regisseurs, hält alles für eine feige Flucht vor Schulden und Verantwortung. Hier wird die Suche nach dem Vater fast zu einem Krimi, doch Richard entfernt sich immer mehr von seiner alten Familie, von seinen fünf „biologischen Kindern“, wird noch seltsamer. Er erzählt sogar, dass er seinen Körper verlassen und an weit entfernte Orte reisen könne...

Minnich und Sweetwood, die bislang einige Dokumentarfilme in den USA und in Deutschland drehten, finden gute Bilder für den Gedankenfluss von Rick. Die gelungene Balance zwischen persönlicher Geschichte und außerordentlichem Ereignis, dass am Wesen unserer aller Identitäten kratzt, machen „Forgetting Dad“ zu einer sehenswerten Kino-Dokumentation.