15.6.10

Five Minutes of Heaven


Großbritannien, Irland 2009 (Five Minutes Of Heaven) Regie: Oliver Hirschbiegel mit Liam Neeson, James Nesbitt, Anamaria Marinca 89 Min.

Nach dem missglückten Science Fiction-Remake „Invasion“ mit Nicole Kidman und Daniel (James Bond) Craig trumpft Oliver Hirschbiegel („Das Experiment“) mit einem hoch spannenden Nord Irland-Drama auf. Ein Mord im Jahre 1975, mitten im Bürgerkrieg, bindet zwei Männer aneinander, die sich erst Jahrzehnte später wiedersehen werden. Während Kinder auf den Straßen Bürgerkrieg spielen, macht sich der Teenager Alistair Little vor dem Spiegel für den Abend fertig. Pickel sind ein Problem für ihn, aber vor allem muss er die Waffe, die unter seiner Spielzeugkiste versteckt war, in seiner Kleidung unterbringen. Dann zieht er mit gleichaltrigen protestantischen Freunden los, um für die Ulster Volunteer Force (UVF) einen jungen katholischen Arbeiter zu erschießen. Stummer Zeuge dabei ein elfjähriges Kind: Joe, der kleine Bruder des Opfers. Nur einen langen Moment lang blickt er dem maskierten Mörder in die Augen.

Eine reißerische TV-Sendung will Jahre später die erwachsenen Alistair Little (Liam Neeson) und Joe Griffen (James Nesbitt) zusammenbringen. Schon die Anreise macht unterschiedliche Typen deutlich: Joe bekam durch die Tat ein Trauma für den Rest des Lebens verpasst. Die Mutter warf dem Jungen vor, nichts getan zu haben. Nach dem Mord am Bruder raffte das Leid fast die ganze Familie hin. Joe ist jetzt ein unkontrolliertes Wrack, das von seinen Erinnerungen überwältigt wird.

Alistair hingegen wirkt extrem ruhig, kann alle Details und Folgen solcher Taten exakt schildern und abstrahieren. Er predigt Versöhnung, leitet Selbsthilfegruppen, kann aber tatsächlich sich selbst nicht helfen. Das Treffen ist eine heikle Situation. Die Fernsehfritzen kümmern sich nur oberflächlich um das Opfer. Joe scheint am wenigsten am Konzept von „Truth and Reconciliation“ („Wahrheit und Aussöhnung“) interessiert zu sein. Das Messer in seiner Tasche macht klar, dass es ihm um Rache geht. Doch bis er den Mann trifft, der sein Leben zerstört hat, spielt er krampfhaft gute Laune vor. Nur Vika (Anamaria Marinca), die einfache russische Hilfskraft, fühlt mit und erkennt: Es ist gut, dass sich die zwei gebrochenen Männer treffen werden. Die Begegnung scheitert zwar, aber die Kontrahenten haben dabei die Adresse ihres Gegenpols erfahren...

Sehr spannend spielt Regisseur Oliver Hirschbiegel diese hochdramatische Situation aus. Von Anfang an sind Hass und Gewalt packend und erschreckend. Die Charakterisierung der Personen gelingt auf den Punkt, wie Alistair/Neeson kurz vor der Ankunft seine Sonnenbrille aufsetzt, erzählt mehr als andere Filme in drei Teilen. Nebenbei werden noch die TV-Macher demontiert und die inszenierten Gefühlen solcher Formate vorgeführt. Es ist eindrucksvoll, was Hirschbiegel inszenatorisch drauf hat, was ihm gelingt, wenn er sich nicht mit unsäglichen Stoffen wie dem „Untergang“ abgibt. Auf der Basis des teilweise authentischen Materials von Autor Guy Hibbert führt er die menschlichen Trümmerfelder ideologischer Gewalt vor und unterhält in knappen 80 Minuten vortrefflich. Ein Segen, dass dieser Film in Originalversion mit Untertiteln gezeigt wird. So lässt sich vor allem die Schauspielkunst von Liam Neeson in seiner Gesamtheit genießen. Für den Konflikt kann keine Lösung geben. Am Ende entspricht ihr Äußeres jedoch den Wracks, die sie innerlich sind. Und Joe, der nie über all das geredet hat, was ihn verfolgt, sitzt in einer Selbsthilfegruppe.