3.11.08

Waltz with Bashir


Israel, Frankreich, BRD 2008 (Vals im Bashir) Regie: Ari Folman mit Ron Ben-Yishai, Ronny Dayag, Ari Folman 87 Min.

Ein Zeichentrickfilm als Dokumentation? Das erscheint dem nüchternen Verstand als Unmöglichkeit oder als Scherz im Abspann eines Pixar-Zeichentrickfilms. Doch in „Waltz with Bashir“ zeigt sich in dunklen Zeichnungen ein Grauen aus den Kriegen im Libanon, das  wohlmöglich in dieser Kunstform erträglicher daherkommt. Auf jeden Fall verstecken die Täter und Zeugen des Massakers in den Palästinenser-Lagern Sabrah und Shatila ihre Aussagen hinter den Farbschichten. Eine Methode, die sicherlich nicht zufällig auch bei der israelischen Dokumentation „Z32“ angewandt wird.

Ein ehemaliger israelischer Soldat sucht seine Erinnerung an einen Kriegseinsatz, der zwanzig Jahre zurück liegt. Das war die Situation des Autors, Regisseurs und Produzenten Ari Folman. Und das ist auch die Situation einer Figur in seinem autobiographischen Film „Waltz with Bashir“. Mit den Träumen von jagenden Bluthunden und Soldaten, die im Wasser treiben, wendet sich ein Soldat darin an seinen Freund Ari. Zusammen suchen sie nach dem Ursprung der surrealen Bilder. Grundlage des Traumas sind die verdrängten Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Shatila im Jahre 1982. Mit Unterstützung der israelischen Armee unter der Führung des späteren Premierministers Sharon wurden am Rande der libanesischen Metropole Beirut 3000 unbewaffnete Männer, Frauen und Kinder von christlichen Falangisten ermordet. Die Aufgabe der Soldaten bestand darin, die Wehrlosen nicht fliehen zu lassen und ansonsten wegzuschauen. In einer gewagten Aussage des Psychologen von Ari, dem Ari im Film, wird ein häufig und heftig bekämpfter Bezug zum Holocaust gelegt: Die israelischen Soldaten würden einen blinden Fleck in ihrer Erinnerung haben, weil sie es nicht ertragen, dass ihr eigenes Verhalten dem der deutschen SS in Auschwitz zu ähnlich sei.

Der irre Drive des Films und der gezeigten Umstände entsteht durch die quer zu den Bildern laufenden, zeitgenössischen Popsongs, die ausgelassene westliche Lebensstimmung der frühen Achtziger und dazu die brutalen Kriegsbilder. Ein aberwitziger Mix, der die Absurdität des Krieges erschreckend deutlich macht.

„Waltz with Bashir“ basiert auf realen Interviews mit realen Kameraden des Regisseurs und kommt doch als Widersprüchlichkeit einer „animierten Dokumentation“ daher. Die Zeichnungen wirken auf den ersten Blick kantig und rau, fast holzschnittartig. Doch trotz des ungewöhnlichen Stiles und der ästhetischen Merkwürdigkeiten erschüttert „Waltz with Bashir“ tief. Am stärksten allerdings, als am Ende die Animation für Realbilder der Opfer und ihrer klagenden Angehörigen Platz macht.