25.11.08
It's a free world
UK, Italien, BRD, Spanien, Polen 2007 (It's a free world) Regie: Ken Loach mit Kierston Wareing, Juliet Ellis, Leslaw Zurek, Joe Sifflet 92 Min.
Zurzeit blättern selbst Wirtschaftsteile der rechten Zeitungen beim guten alten Kapitalismus-Kritiker Marx nach. Da müsste auch Ken Loach zu neuen Ehren kommen, kämpfte er doch seit Jahrzehnten in seinen Filmen für die Rechte des kleinen Arbeiters und gegen die Auswüchse des Kapitals. Nun also der im Moment höhnisch wirkende Titel "It's a free world" - es ist eine freie Welt ... für das Kapital und die nimmersatten Spekulanten. Wie unfrei allerdings Gewinnmaximierung macht, erlebt darin eine mutige Unternehmerin. Leider ist "It's a free world", der neue Film vom Cannes-Sieger, eine eher stumpfe Waffe gegen Ausbeutung und Globalisierung.
Die resolute und schlagfertige Angie weiß, wie hart das Angestelltenleben ist. Gerade warb sie noch im Osten Europas für eine Personalvermittlung billige Arbeitskräfte an, jetzt braucht sie selbst einen neuen Job. Sie wurde gefeuert, weil ihr ein Vorgesetzter an die Wäsche wollte. Doch Angie macht sich mit ihrer Freundin Rose im Hinterzimmer einer Londoner Kneipe selbständig. Mit viel Energie vermitteln sie in ihrer eigenen Agentur osteuropäische Arbeitskräfte für ziemlich miese Jobs. Angie könnte ein Engel sein, auch wenn sie auf ihrem Motorrad mit den wehenden blonden Haaren höllisch gut aussieht. Ihre neuen Kunden himmeln sie meist an - die Bedingungen sind klar, Angie und Rose achten darauf, dass alle korrekte Papiere haben. Auf einem emotionalen Höhepunkt kümmert sich Angie ganz persönlich um eine iranische Familie, holt sie vor der Kälte nach drinnen, besorgt dem Vater einen Job und allen eine Unterkunft. Dankbare Kinderaugen strahlen die Frau aus dem Westen an. Auch die Beziehung zu Karol aus Polen tut dem Herzen gut.
Aber der Druck im Geschäft ist groß. Arbeiter beschweren sich, Firmen verlangen mehr und zahlen weniger. Dazu bewältigt Angie auch ganz alleine die Erziehung ihres Sohnes. Angie wird hart, Rose und Karol wenden sich von ihr ab. Und irgendwann, als zu wenig Wohnwagen für ihr Menschenmaterial da ist, ruft sie die Polizei, um illegale Einwanderer aus ein paar Wohnwagen verhaften zu lassen. Unter ihnen die iranische Familie. Und wieder blicken sie große Kinderaugen an ... Aus Angie ist ein eiskalter Engel geworden. Nur ihr Vater, ein alter Sozialist, ruft eine Erinnerung an schwer erkämpfte Rechte zu - ungehört.
Ken Loach ist auch so ein alter Sozialist. Seine Erinnerungen an Rechte und menschlichen Anstand wie "Riff-Raff", "Land and Freedom“, "Carla’s Song", "My Name is Joe" oder "Sweet Sixteen" kommen oft mit Humor daher, packen und rühren. Für "The Wind that Shakes the Barley" erhielt er die Goldene Palme in Cannes. Paul Laverty schrieb wie damals auch nun das Drehbuch, aber diese moralische Lehrstunde über den menschenverachtenden Handel mit Arbeitskräften aus Osteuropa enttäuscht. Sie wählt ausnahmsweise nicht den Blick der Opfer. Das hätte man schon zu oft gesehen, meinte Loach. Doch das von der Filmstiftung NRW geförderte Thesenspiel bleibt leider zu leblos.