Der Prophet in Griechenland
Thessaloniki. Eine Woche lang dreht sich in Thessaloniki alles um Wim Wenders und der deutsche Regisseur genießt es sichtlich. Es ist die alte Geschichte vom Propheten, der im eigenen Land nicht wirklich geschätzt wird. Man muss erst ins Ausland gehen, zu den großen internationalen Festivals, um zu erleben, welche Begeisterung Wenders hervorruft. Das 47. Internationale Filmfestival von Thessaloniki (17.-27.11.2006) verlieh Wim Wenders einen Goldenen Alexander für sein Werk. Dazu gibt es alles seine Filme, eine Fotoausstellung und viele spannende Begegnungen.
Es war ein bewegter Abend, auch wenn die Nachricht vom Tode Robert Altman die Stimmung trübte: Theo Angelopoulos, der bedeutendste Regisseur der Griechen überreichte Wenders die Goldfigur, die an den großen Mazedonier Alexander erinnert, der aus dieser Region stammte. Wenders war glaubhaft gerührt. Man vermutet es nicht, wenn der kleine, fast kahle Grieche im konservativen Anzug neben der langen, jugend-imitierenden Mähne des großen Deutschen im bemüht modischen Jackett steht: "Der amerikanische Freund" von Wenders und "The Hunters" des späten Quereinsteigers Angelopoulos reüssierten Ende der Siebziger Jahre zur gleichen Zeit international.
Neben einer kompletten Retrospektive, die auch die extrem selten gezeigte, fünfstündige Version von "Bis ans Ende der Welt" beinhaltete, konnte man auch Wenders-Fotos bewundern. Im doppelten Sinn: Die Ausstellung stellte Aufnahmen des Regisseurs und die seiner Frau Donata Wenders gegenüber. Während er von den Drehs zu "Buena Vista Social Club" oder "Don't come knocking" perfekt stilisierte "Stills" festhielt, lebt bei Donata der eingefangene Moment. Eine sichtbar gute Kombination. Der Meisterregisseur und die anerkannte Fotografin unterlassen in Thessaloniki keine Gelegenheit, sich ihre Zuneigung und Bewunderung auszudrücken.
In einer mit mehreren Hundert Fans völlig überlaufenen Masterclass zusammen mit dem brasilianischen Regisseur Walter Salles, der von den Filmen des Deutschen nachhaltig geprägt wurde, schwärmte Wenders über sein liebstes Genre, die Road-Movies. Zwei Straßen-Künstler durften Asphalt-Cowboys spielen, unterhielten mit Philosophischem und mit Anekdoten. Der Ort war dazu nicht ungeeignet: In Griechenland wurde Odysseus der erste Held eines Road-Movie. Der Urahn aller, die eigentlich nicht ankommen wollen.
Auch in Zukunft bleibt Wenders der Straße treu, die Kamera beweglich auf den Horizont ausgerichtet. Er will nach 10 Jahren USA wieder "ein paar deutsche Straßen sehen, um wieder mit Deutschland Kontakt aufzunehmen". Scheinbar wie sein Antiheld Phillip Winter, der 1973 in "Alice in den Städten" mit vielen Bildern im Gepäck aus den USA zurückkam. Der hier aufhörte, Polaroids zu schießen und wieder sehen lernte. Vielleicht lernt man dann auch in Deutschland, Wenders wieder zu sehen.