15.11.06

Casino Royale


USA 2006 (Casino Royale) Regie: Martin Campbell mit Daniel Craig, Dame Judi Dench, Mads Mikkelsen 144 Min.
 
Sein statt Schein: Bonds Körperwelten
 
Von Günter H. Jekubzik
 
Der neue Bond fängt gleich exzellent an: Mit einem Vorspann-Kunstwerk ohne Frauen! Faszinierend trickreich setzen sich flächige Action-Szenen aus den Karten-Symbolen Kreuz, Pik, Karo und Herz zusammen, dazwischen immer wieder die Körpersilhouette des neuen Bond-Darstellers Daniel Craig. Viel Herz und viel Körper bestimmen einen überraschend guten Bond-Film.
 
"Casino Royale" macht auf "Prequel" und erzählt in der "Fortsetzung nach hinten", wie alles begann: Wie Bond zu seiner Doppelnull kam (ohne jemals undercover als Klofrau gearbeitet zu haben - obwohl, da war was mit dem Klo ...). Und vor allem, wie er zu einem Frauenverbraucher wurde. Denn "Casino Royal" ist auch ein richtiger Liebesfilm. Wie er überhaupt ein richtiger Film ist und nicht so eine Nummern-Revue der Action-Einlagen und gequirlten Kalauer.
 
Die Bond-Produzenten Barbara Broccoli und Michael G. Wilson hatten noch ein As im Ärmel. Oder gleich ein gutes Blatt auf der Hand. Den ersten James Bond-Roman nämlich! Während die letzten Bonds rund um den exzellenten Schauspieler Pierce Brosnan zu Parodie ihrer selbst wurden, erfindet "Casino Royale" die Figur neu. Als "Körperwelten" um einen ebenso maskulin-muskulösen wie zweifelnd und gefährlich sadistisch spielenden Daniel Craig.
 
Der neue Bond geht brutaler zu Werke und wird auch brutaler gefoltert. Gewalt ist hier noch unedles Handwerk. 007 ist keineswegs zimperlich bei der Verhaftung eines Attentäters in Madagaskar oder bei der Exekution eines Kollegen. Der frisch mit staatlicher Lizenz zum Morden ausgestattete Geheimagent räumt gar nicht "secret" ganze Gebäude aus dem Weg und sprengt eine Botschaft in die Luft. Aber das ist ja auch der Stil aktueller britischer Außenpolitik. Während sich Bonds Chefin M (Judi Dench) laut fluchend aufregt, sitzt er längst bei ihr zuhause und knackt dort die Computer-Passwörter.
 
Ein schwer zu kontrollierender, arroganter Rebell. Ungewohnt, fesselnd. So sehr, dass man problemlos die erste Stunde übersteht, ohne zu wissen, warum es eigentlich geht. Nämlich darum, den schmutzigen Börsen-Spekulant Le Chiffre (Mads Mikkelsen) zu erlegen. Diesen Millionen-Zocker will man nicht einfach verhaften, sondern ihm im Poker-Spiel seine Millionen abnehmen. Damit ihn daraufhin seine Geldgeber jagen und er den guten Geheimdiensten mit Geheimnissen dienstbar sein wird. So weit der Plan und so sitzt man im Casino Royale von Montenegro mit jeweils 15 Mio. Spielgeld. Die Amerikaner zocken auch mit. Wahrlich ungewöhnliche Methoden, aber ideal für den risikofreudigen Bond und hochspannend.
 
Dazu trägt ein schön schauerlich wirkender Gegner bei: Le Chiffre ist gefährlich blass, mit blutendem Auge fein kalt lächelnd eine Art Marilyn Manson des Risiko-Kapitals. Überhaupt sind ausgewählt viele gute Gesichter in diesem Bond zu sehen. (Darunter auch deutsche Nasen wie Jürgen Tarrach und Ludger Pistor.) Da wo es bislang aufs Äußere ankam, bei dem "Bond-Girl", erlaubte man sich eine richtige Figur. Vesper Lynd (Eva Green, "The Dreamers"), Beamtin des britischen Schatzamtes, soll eigentlich nur das Spielgeld beisammen halten, wandelt sich aber von kalter Analytikerin Bonds zu dessen heißer Liebe. Ja, genau: Liebe! Nicht schnelles Vernaschen und dann weiter zur Nächsten. Auch hier ist der Bond ein richtiger Film, auch wenn er etwas lang braucht, um seinen Enden zusammen zu bekommen. So eine gelungene Frischzellenkur kann man nur feiern und hoffen, dass die Produzenten nicht zu schnell in die alte Routine zurückfallen.