WHAT THE #$*! DO WE (K)NOW?!
USA 2004
Regie: Mark Vicente, Betsy Chasse, William Arntz, Buch: Betsy Chasse, William Arntz, Matthew Hoffman, Darsteller: Marlee Matlin als Amanda, Robert Bailey jr. als Reggie, John Ross Bowie als Elliot, Barry Newman als Frank, Elaine Hendrix als Jennifer, Kamera: David Bridges, Mark Vicente, Musik: Christopher Franke, Michael Whalen, Schnitt: Jonathan P. Shaw, Produzent: Betsy Chasse, William Arntz, Produktionsfirma: Lord of the Wind, Länge: 113 Minuten, Verleih: Horizon Filmverleih/24 Bilder, Kinostart: 24.11.2005
Wer bin ich? Weshalb sind wir hier? Warum sollte ich diesen Film sehen? Das sind - mehr oder weniger - essentielle Fragen der Menschheit. Dieser populärwissenschaftliche Spiel-, Trick- und Doku-Film macht sich auf, Quanten-Physik zu erklären und gibt sich am Ende damit zufrieden, uns einfach zu glücklichen Menschen zu machen. Eine ungewöhnliche Achterbahnfahrt durch Wissenschaft, Esoterik und Lebenshilfe.
Der unausgesprochene Titel lautet "What the fuck do we know?" - Was zum Teufel wissen wir eigentlich? (Der prüde Ami ersetzt das F-Wort mit dem Zensurpiepen aus Radio und TV: Bleep.) Um eine Enttäuschung vorwegzunehmen: Wir wissen nach fast zwei Stunden nicht viel mehr über Quanten-Physik. Doch mit etwas Glück glauben wir, dass auch die noch nicht verstandene Theoretische Physik Mut machen kann, unser Lebensglück selbst in die Hand zu nehmen.
"What The #$*! Do We Know?" - oder kurz gesagt "#$*!" - beginnt als seltene Erscheinung von Populärwissenschaft im Kino: Wilde Computer-Animationen im Stile von ZDF-Wissenschaft-Dokumentationen. Viele, viele kluge "Talking Heads", die lächelnd keine Antwort haben. Und eine fiktive Geschichte um die scheue, schwerhörige Fotografin Amanda (Marlee Matlin aus "Gottes vergessene Kinder").
Was ist Realität? Wie sehen wir? Mit unseren Augen? Oder mit dem Gehirn? Wir können einfach nicht sagen, ob es eine Welt um uns gibt oder ob sich unser Gehirn das alles nur ausdenkt. Leben wir also auf einem riesigen Holodeck? Sind wir in der Matrix? Das ist Konstruktivismus in physikalische Theorien gegossen und sehr aufwändig inszeniert - von drei Regisseuren auf ebenso vielen Ebenen. Also ein Film, in den man vielleicht keinen Kritiker mit humanistischer Bildung sondern einen Quereinsteiger von den Naturwissenschaften schicken sollte? Doch die Physiker beschweren sich "web-weit" nur über falsch dargestellte Fach(idioten)details. Und darum geht es im Film bald auch nicht mehr. Eine der "tollen" Antworten all dieser verschmitzt lächelnden Denker lautet nämlich: Nicht im Wissen liegt das Leben, sondern im Rätseln.
Also wissen wir nicht, wir vermuten nur, dass in der Quanten-Physik (eine Theorie, nicht mehr) dauernd Partikel verschwinden. Tauchen sie vielleicht in einer anderen Welt auf? Das führt über "Schrödingers Katze" (die hier weder erwähnt noch tiergequält wird) zu der Idee vieler paralleler Welten. Und für die verbitterte Amanda nach einer polnischen Hochzeit mit folgendem Besäufnis zur Erkenntnis, dass positives Denken die Welt und vor allem ihr eigenes Leben verändern kann. So landet die Fortsetzung der Relativitätstheorie beim Einfach-Einstein: Alles ist relativ. Oder wie es jeder Disney-Film sagt: Du kannst es schaffen - was auch immer "es" sein sollte! Positiv denken oder Der Triumph des Willens - aber das war wieder ein anderer Film.
Nun ist "#$*!" nicht "Sophies Welt" für Physiker. Man kann danach auch nicht besser erklären, was Quanten-Physik ist, erhielt aber eine Menge Denkanstösse für viele Lebenssituationen. Da geben die Denker dann plötzlich Lebenshilfe wie in Petra oder Frigitte, da wendet sich Amandas Drama aus Selbstzweifeln und freudlosem Leben zum Besseren, da wird im Vorbeigehen noch etwas gesunder Atheismus gepredigt.
Welche persönliche Erkenntnis man auch immer aus diesem Film-Mix ziehen mag, die sorgfältige Machart ist ebenso bemerkenswert wie die Wirkung bei einen ungewöhnlich breiten Kinoeinsatz in den USA. Viele Szenen sind auf dem Niveau aktueller Film(trick)technik, einige Beispiele wurden witzig, einige überzogen bebildert. Das sieht dann zeitweise so atemberaubend choreographiert aus wie bei einem Dennis Potter-Musical, doch "The Singing Physiker" war eigentlich nicht angesagt. Aber vielleicht können demnächst ganz viele Naturwissenschaftler endlich mal mit ihren esoterischen Freundinnen zusammen Kino erleben.