1.11.05

Tim Burton's Corpse Bride *****


USA 2005 (The Corpse Bride) Regie: Mike Johnson, Tim Burton 77 Min. FSK ab 6

Unsterblich schön - wie Tim Burton es wieder schafft, aus toter Materie die menschlichsten Rührungen hervorzuzaubern. Im Stile seines Kultfilms "The Nightmare Before Christmas" erleben seine wunderbaren Animationsfiguren eine schaurig-schöne Liebe im Untergrund.

Knochengerippen ein Herz zugestehen, ihnen den Atem der Liebe einzuhauchen, dass ist ein besonderes Kunststück. Es beginnt komisch, mit skurril verzerrten Figuren, dem Schwiegervater als plumper Kugel, einem Bischoff, dem das Kinn geradezu furchterweckend flieht. Die ganze Gesellschaft der arrangierten Heirat treten als Monster auf, von Habgier verzerrt. Nur die beiden jungen Opfer Victor und Victoria rühren als purer Ausdruck von Empfindsamkeit in dem Sturm absurder Fratzen: Große, ängstliche Augen, eine Mimik, die Herzen erweicht. Sie ergeben sich dem Zwang, finden aber auch in einem ruhigen Moment Sympathien füreinander. Nur die richtigen Worte bei der chaotischen Hochzeitsprobe kann sich Victor nicht merken. Der zerstreute Poet verdreht alles und zieht sich zum Üben in den schauerlichen Wald zurück. Verspielt steckt er einem vertrockneten Ast den Hochzeitsring an und spricht endlich die richtigen Worte. Nur es war kein Ast sondern der Finger einer unlängst Verstorbenen. Die Braut Emily entsteigt der Erde und nimmt seinen Eheschwur an und schwupps findet sich Victor bei einer fröhlichen Hochzeitsgesellschaft im Totenreich wieder.

Nun dreht das fantastische Kunstwerk richtig auf: Da wird Marimba auf Totenköpfen gespielt - ein Klassiker des alten, noch anarchischen Trickfilms. Ein Auge der Braut fliegt öfters raus und dahinter sieht eine Made umso schärfer. Als Hochzeits-Geschenk erhält Victor einen Schoßhund, als Gerippe-Puzzle, das wie sich von Geisterhand zusammensetzt. Nach dem ersten Schrecken flieht der unfreiwillige Bräutigam - bis er in einem "Dead End" landet, so morbid heißt Sackgasse auf Englisch. Die Verfolgung wäre auch für Emily atemberaubend - wenn sie noch einen Atem hätte. Dabei sehen wir eine Traumwelt wie bei "Caligari" und lachen beim klapperigsten "Vom Winde verweht"-Zitat aller Ewigkeiten.

Tim Burton tauchte seine neue Traumwelt komplett in blasse Farben, alles erscheint wunderbar düster und schwarz, so dass sich die Grufties begeistern werden - aber nicht nur sie. Die enorm aufwändige Machart setzt mit Stop-Motion-Technik, also Bild für Bild, eine morbid-poetische Fantasie um. Ähnlich wie "Wallace und Gromit" nur halt ohne Knete. Das letzte düstere Meisterwerk dieser Art, "Nightmare before Christmas" erobert gerade in Form von Modeaccessoires die Städte. "James und der Riesenpfirsich" - nach Roald Dahl - war eine eher rosige Kinderfilm-Produktion von Burton. "Corpse Bride" begibt sich wie "Edward mit den Scherenhänden" oder "Sleepy Hollow" wieder auf die dunkle Seite des Glücks. Und auch in Victor ist die Verwandtschaft zu "Edward" unverkennbar. Klar Johnny Depp war Vorbild und spricht im Original wie viele andere Prominente (Helena Bonham Carter, Emily Watson, Christopher Lee und Albert Finney). Danny Elfman sorgte wieder für Gänsehaut-Musik und ist als Bonejangles in einer der "Grusical-Einlagen" zu hören.

So lernt man die Toten lieben, schwärmt für das ganz besondere Dunkle Burtons, melancholisch und doch poetisch leicht wie der Schlag eines Schmetterlingsflügels.