BRD 2020 Regie: Philipp Stölzl, mit Oliver Masucci, Albrecht Schuch, Birgit Minichmayr, Andreas Lust, Rolf Lassgård, Samuel Finzi, 107 Min. FSK ab 12
Es stellt sich die Frage, ob die neue Popularität des Schachfilms durch „Damengambit" eine weitere Verfilmung von Stefan Zweigs „Schachnovelle" befördert hat. Oder ob das Lauterwerden der nie verschwundenen Rechten das Meisterwerk zeitlos macht. Auf jeden Fall liefert der vielseitig einsetzbare Historienfilmer Philipp Stölzl („Ich war noch niemals in New York", „Der Medicus", „Nordwand") eine spannende und völlig staubfreie Version ab.
Diese Arroganz des reichen Bildungsbürgers und Anwalts Josef Bartok (Oliver Masucci) ist beeindruckend und provokant. So verdient er sich schon immer den Neid derer, die alles auf ihr Niveau herunterzwingen wollen. Was nicht nur, aber nahezu exemplarisch beim Umsturz der Nazis 1938 in Österreich passiert: Bartok wird bei der Besetzung durch das deutsche Nazi-Regime verhaftet. Wenige Stunden vor der Flucht in die USA, weil er in seiner Wohnung noch Hinweise auf Konten seiner Klienten vernichten wollte. Das genau interessiert Gestapo-Leiter Böhm (Albrecht Schuch), der den Vermögensverwalter des Adels zur Herausgabe von deren Vermögen zwingen will. Dazu wird Bartok im ehemaligen Hotel Metropol, nun Hauptquartier der Gestapo, in Einzelhaft genommen.
Anfangs gebraucht Böhm keine körperliche Gewalt, die Isolation soll den das Gesellschafts-Tier zermürben. Mit Erfolg – bis der Gefangene ein Lehrbuch des Schachfans Böhm mit in seine Zimmer-Zelle schmuggeln kann. Das Nachspielen der Partien - zuerst mit selbstgemachten Figuren, später im Kopf – gibt dem Zermürbten Beschäftigung und später die Kraft zu Widerstehen.
Das erfahren wir, wie in der geschickt verklammerten Rahmenhandlung Stefan Zweigs, während sich der wieder freie Bartok auf einem Ozeandampfer auf dem Weg in die USA befindet. Der Schachweltmeister Mirki Czentovic (ebenfalls gespielt von Schuch) unterhält die Passagiere, findet aber im gebrochenen Bartok einen Gegner für das spannende Finale.
Das finale Schachduell gestaltet Regisseur Philipp Stölzl als einen wahnsinnigen Bilderfluss aus Erinnerungen und Visionen, aus Gestalten des Jetzt und der Vergangenheit. Der ganze Film gelang durchgehend packend, die Isolationshaft wirkt so beklemmend, dass einem das Atmen schwerfällt. Eindrucksvoll trägt Oliver Masucci das Drama. Wenn der Fassbinder-Darsteller aus Oskar Roehlers „Enfant Terrible" hier wieder groß aufspielt, drängt sich ein Vergleich auf. Nein, Stölzl ist hier nicht radikal wie Fassbinder oder Roehler, aber seine gute Inszenierung kann mit der zeitlosen Warnung vor dummer rechter Gier beeindrucken.