7.9.21

Curveball - Wir machen die Wahrheit


BRD 2020 Regie: Johannes Naber, mit Sebastian Blomberg, Dar Salim,
Virginia Kull, Thorsten Merten 109 Min. FSK ab 12

„Da sitzt der Fischer … warum sagt der nichts?" Wie US-Außenminister Colin Powell 2003 (im Beisein von Außenminister Joschka Fischer) mit erfundenen Giftwaffenfabriken den Überfall auf den Irak begründete, ist mittlerweile ein bitterer Witz der Geschichte. „Curveball" erzählt aberwitzig, wie kleine persönliche Befindlichkeiten deutscher Geheimdienstler die große Weltpolitik auf Abwege führte.

Als tragisch einsame Gestalt sucht BND-Biowaffenexperte Wolf (Sebastian Blomberg) im Irak bei UN-Kontrollen nach Anthrax-Viren. Letztlich vergeblich. Zurück in Deutschland wird Wolf aus beruflicher und privater Lethargie geweckt, als der irakische Asylbewerber Rafid Alwan (Dar Salim) zörgerlich gestehen will, dass er in einer Fabrik für chemische Waffen gearbeitet hat. Die Vorgesetzten sind aufgeregt, weil sie der hochnäsigen CIA mal eins auswischen können. Wolf ist der Star, weil Rafid genau seine Theorien bestätigt. Zu genau – der verzweifelte Asylsuchende hatte einen Bericht von Wolf studiert! Die Blase platzt, der Star kommt aufs Abstellgleis. Bis die US-Regierung nach 9/11 Rafids Aussage für den völkerrechtlich widerrechtlichen Angriff auf den Irak braucht. Obwohl alle wissen, dass alles erlogen ist.

„Emotional? Das klingt mir aber sehr gewagt bei Ihnen!" Ziemlich deutlich beschreibt ein Vorgesetzter den extrem nerdigen Chemiker Wolf. „Curveball" ist auch das Porträt seiner traurigen Gestalt, wunderbar gespielt von Sebastian Blomberg („Zeit der Kannibalen"). „Ich kann meine Prioritäten ändern im Gegensatz zu dir", meint die US-amerikanische Geliebte, die sich als gegnerische Geheimdienstlerin herausstellt. Doch die herrlich aberwitzige und unglaubliche Geschichte des neuen Films von Johannes Naber („Der Albaner", „Zeit der Kannibalen") ist letztlich schauerlich durch die Nähe zur realen Politik. Die Geschichte basiert auf Aussagen des realen Rafid Alwan, der trotz üppigen Schweigegeldes und Drohungen doch nicht den Mund hielt. Und in der Figur des Vorgesetzten Schatz, gespielt von Thorsten Merten, steckt der aktuelle Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der unter Kanzler Schröder im Kanzleramt war. Zwar wird der Name Steinmeier von Regisseur Naber nicht genannt, aber im Abspann heißt es: „Der damalige Chef des Kanzleramts ist heute Bundespräsident".