Frankreich, Tunesien 2019 (Un divan à tunis) Regie: Manele Labidi, mit Golshifteh Farahani, Majd Mastoura, Hichem Yacoubi 88 Min.
Nein, der ältere Herr mit Zigarre und Fez auf dem Bild ist nicht der Vater oder der Opa von Selma. Sie erklärt dem Umzugshelfer „Mein Chef", aber man erkennt Freud auf seinem bekanntesten Porträt. Ja, weshalb die Psychoanalytikerin aus Paris ins Tunis nach der Diktatur von Ben Ali zurückkehrt, versteht niemand. Und auch nicht, weshalb sie eine Praxis für Psychoanalyse aufmachen will: „Das ist hier nicht Europa. Wir haben Gott. Wir brauchen diesen Quatsch nicht."
Die Nachbarschaft stellt sich beim Einzug ins Dachstübchen der Tante mit netten kleinen Szenen vor. Die westliche Frau mit Tattoos wird aber auch beim Autokauf vom vermeintlichen Freund des exilierten Vaters als „Scheiß-Immigrantin" beschimpft und betrogen. So ist Selma mit einem uralten Peugeot-Transporter in wilder arabischer Dekoration unterwegs, um im Chaos der Stadt Klienten zu finden. Was schnell und einfach klappt. Die aufgedonnerte Friseurin, die meint, Araber reden beim Friseur oder im Haman, danach „seien sie sauber", wird zur besten Kundin. Aber für die fehlende Arbeitsgenehmigung muss Selma durch ein kafkaeskes Gesundheits-Ministerium, in dem die unfähige Mitarbeiterin Reizwäsche verkauft.
Selmas persönliche Geschichte vermengt sich mit witzigen Szenen auf der Couch, aus denen sich kleine Portraits von menschlichen Schwächen und Vermeidungstaktiken ergeben. Der Onkel und Vermieter trinkt im Ramadan Alkohol aus der Cola-Dose. Die eigene Tante beneidet sie um die Freiheiten, der lebensmüde Iman aus dem gleichen Haus kann endlich mal reden. Dazu gibt es einen interessanten Polizisten (Majd Mastoura) mit vielen Fähigkeiten und Gesichtern.
„Auf der Couch in Tunis" trumpft vor allem mit der iranischen Schauspielerin Golshifteh Farahani („Alles über Elly" 2009, „Huhn mit Pflaumen" 2012, „Pirates of the Caribbean: Salazars Rache" 2017) auf, die seit 2009 in Frankreich lebt. Der Debütfilm der in Frankreich aufgewachsenen Manele Labidi (Regie und Buch) ist eine leichte Komödie, aber nicht eine der ganz flachen. Die Reibung zwischen den gegenseitigen Vorurteilen kommt vor, auch eine wilde Cousine mit sehr widersprüchlichem Verhalten wie der Punk-Frisur unter dem Hijab. Alles bleibt vor allem komisch, aber es gibt keine leichte Lösung. Das passt zu Selma, die eigentlich nicht erklären kann, weshalb sie nach Tunis zurück will. Bei den Filmfestspielen von Venedig gewann die Komödie 2019 den Publikumspreis.