12.1.20

1917

USA, Großbritannien 2019 Regie: Sam Mendes, mit George MacKay, Dean-Charles Chapman, Mark Strong, Colin Firth und Benedict Cumberbatch 119 Min.

Eine lange Plansequenz durch die britischen Laufgräben des 1. Weltkrieges macht nicht so sehr die Grauen des bewaffneten Kampfes klar, als vielmehr die Ambitionen dieses filmischen Großangriffs: Sam Mendes („American Beauty", „James Bond Skyfall" und „James Bond Spectre") erweckt über fast zwei Stunden Kriegsfilm den Eindruck, der Überlebenskampfes eines friedliebenden Soldaten wäre an einem Stück aufgenommen worden. Kann man so machen, bringt als einzigen Mehrwert aber höchstens ein paar Oscars.

Die beiden britischen Soldaten Schofield (George Mackay) und Blake (Dean-Charles Chapman) sollen ziemlich unsinnig allein durch von den Deutschen verlassene Kampflinien ziehen, um eine andere Truppe vor einem Hinterhalt zu warnen. Klar, die bösen Gegner haben die Telefonleitungen zerstört! Blake ist besonders motiviert, denn sein Bruder würde am nächsten Tag zu den Soldaten gehören, die mit dem üblichen Geschrei in eine Falle der hinterhältigen Deutschen stürmen. So geht es raus aus den eigenen Laufgräben, über das Schlachtfeld mit den vielen Leichen und Pferde-Kadavern, durch Stacheldraht und Bombenkrater. Die deutschen Stellungen sind tatsächlich verlassen, aber eine Sprengfalle erweist sich als ebenso bösartig wie später die Heckenschützen.

Ja, es ist sehr spannend mit dieser Falle in den Gängen. Und eklig mit den verwesten und zerfetzten Leichen, den Aasvögel und Ratten. Dann stürzt auf freiem Feld nach Luftkampf ein Roter Baron besonders spektakulär ab. Und als später der Überlebende des Duos durch eine völlig zerstörte Stadt rennt, sind diese nächtlichen Szenarien albtraumhaft. Dabei werden immer wieder Schönheit und Grauen konfrontiert: Während Kirschblüten in den Fluss schneien, muss der einsame Soldat über reihenweise aufgeblähte Wasserleichen klettern. Auch in diesem Gegeneinander liegt wieder ein V-Effekt, die Ver- und Entfremdung von den eigentlich erschütternden Handlungen durch ästhetischen Schnickschnack.

Sam Mendes und sein Kameramann Roger Deakins schufen eindrucksvolle und erschütternde Bilder von Grauen und Zerstörung - bei denen man sich immer wieder fragt: „Wie haben die das gemacht?". Die Plansequenz ohne Schnitt war schon immer eine besondere Herausforderung für Filmemacher. Orson Welles machte es in „Touch of Evil", Hitchcock bei „Cocktail für eine Leiche". Ironischerweise erzeugt bei 1917 gerade die Kunstfertigkeit eines Film ohne Schnitt (oder nur mit kaschiertem) weniger Realismus: Denn anstatt die Handlungsorte als real wahrzunehmen, fragt man sich immer, wie diese angeblich ununterbrochenen Szenen hintereinander gesetzt wurden und wo der unsichtbare Schnitt versteckt liegt.

Aber vor allem täuscht die Trickserei drüber hinweg, dass „1917" im Jahr 2020 kein Antikriegs-Film ist, sondern ein einseitiges Abenteuerfilmchen vor Kriegskulisse. Zwar hat auch Mendes einen großen Moment vom Wahnsinn des Krieges, im Gegensatz zu Spielbergs „Saving Privat Ryan" nicht am Anfang, sondern am Ende. Doch das hier ist wieder das uralte, furchtbare Heldentum für „gute" Seite des Krieges und nicht für die Menschlichkeit. Obwohl hier kurioserweise ein Soldat durch den ganzen Film läuft und Wohltäter ist. Die mörderischen Soldaten gibt es nur auf der Seite der Gegner. Da kann man nur Peter Jacksons Dokumentation zum 1. Weltkrieg „They Shall Not Grow Old" oder Peter Weirs „Gallipoli" über das wahre Abschlachten empfehlen.