1.4.18

Pio

Italien, Brasilien, BRD, Frankreich, USA, Schweden 2017, Regie: Jonas Carpignano, mit Pio Amato, Koudous Seihon, Damiano Amato, Francesco, 118 Min., FSK: ab 12

Nach der Flüchtlings-Geschichte „Mediterranea" (2015) inszeniert Jonas Carpignano wieder einen packend authentischen Film mit Roma, Flüchtlingen und Italienern im Süden des Landes: Der 14-jährige Pio (Pio Amato) lebt mit seiner Roma-Großfamilie in A Ciambra, einer kleinen Gemeinde in Kalabrien. Der Junge kann nicht lesen, dafür raucht und trinkt er wie ein Großer. Die Siedlung erlebt regelmäßig Polizei-Razzien, wegen geklautem Kupfer, abgezapftem Strom. Italiener, so genannt von den Roma, kommen vorbei, um Aufträge zu verteilen. Pios älterer Bruder Cosimo (Damiano Amato) soll Häuser ausrauben oder Autos stehlen. Als Cosimo und der Vater von der Polizei erwischt werden, will Pio sich gegenüber der Familie beweisen. Er gibt ein geklautes Auto dem Besitzer für 300 Euro zurück, stiehlt im Zug Koffer von Reisenden.

„Pio", der 2017 in Cannes erstmals gezeigt wurde, ist kein gewöhnliches Sozialdrama. Die Darsteller sind meist Laien, die in ihrem eigenen, tatsächlich existierenden Viertel spielen und heftigen Dialekt sprechen. So ergibt sich eine pralle Geschichte mit intensiven Aufnahmen, zügig erzählt, sehr packend geschnitten. Der Film wirkt authentisch, nahe dran, mittendrin. Neorealismus von heute.

Auf naheliegende und selbstverständliche Weise zieht Pio Tricksereien durch, wie alle anderen in der Umgebung. Was allerdings schief geht, als er einen italienischen Auftraggeber der Familie bestiehlt. Er, der sich mit den afrikanischen Flüchtlingen gut versteht, sogar in Aviya (Koudous Seihon) einen älteren Freund hat, muss diesen verraten, um seine Familie zu retten. Die nüchtern beobachtete Zeit zwischen Kindheit und Mann-Sein bettet „Pio" in gefühlvolle bis poetische Momente. Eine intensive Trauerfeier bewegt mit Musik und Gesang. Mühsam formulierend erzählt Pios Großvaters von besseren Zeiten. In den menschenleeren nächtlichen Straßen sieht der Junge ein verlorenes Pferd - symbolisch für frühere Freiheiten des „ziehenden Volkes". Heutzutage bleibt Pio scheinbar keine Wahl als mit den Armen die noch Ärmeren auszubeuten.