30.4.18

Meister der Träume

Frankreich, BRD 2017 (Le Prince de Nothingwood) Regie: Sonia Kronlund 85 Min.

Der „afghanische Steven Spielberg" drehte trotz Besatzung, Taliban und Bürgerkrieg in den letzten 30 Jahren über 100 Low Budget-Filme im Bollywood-Stil. Dieses sehr kenntnisreiche und einfühlsame Porträt eines charmant eitlen Film-Fanaten ist gekonnt verwoben mit der Geschichte des geschundenen Landes: Was ist das für ein Mensch, der mitten im afghanischen Bürgerkrieg Filme dreht und, nachdem bei einem Raketenangriff zehn Crew-Mitglieder sterben, noch weiter filmt? Die Verknüpfung eines von Besetzung und Krieg geschundenen Landes mit dem Leben eines fanatischen Filmemachers ist die Geschichte der Dokumentation „Meister der Träume".

Der 1964 in einem zum Westen geöffneten Afghanistan geborene Salim Shaheen gilt als der afghanische Steven Spielberg, wobei Ed Wood passender wäre. Er ist gleichzeitig Schauspieler, Produzent, Regisseur und Held. Es sind einfach gemachte Genre-Geschichten mit übersichtlicher Story, die ein großes Publikum finden. Das Staunen mit offenem Mund der jungen Männer beim Zuschauen im improvisierten Kino belegt dies. Es gibt Prügel im Bud Spencer-Stil, dazu Musik- und Tanzeinlagen wie beim Bollywood-Kino. Im Gegensatz zum dortigen Überfluss fehlt es in seinem „Nothingwood", so sagt Salim Shaheen selbst, an allem.

Salim Shaheen inszeniert sich bei einer Autopanne als Macher und Anpacker, was sich denn auch mit einer passenden Filmszene von ihm doppelt lässt. Auch zur seiner Biografie mit früher Filmbegeisterung und verbotenen Kinobesuchen gibt es - fast wie bei Woody Allen - eigenes Spielfilmmaterial zum Bebildern. Seine Karriere begann als Soldat und Künstler für die sowjetischen Besatzer. Trotz Bürgerkrieg, Taliban und der Bürde der Traditionen drehte Shaheen immer weiter.

Die französische Regisseurin Sonia Kronlund hat seit dem Jahr 2000 - damals noch unter der Herrschaft der Taliban - viele Fernseh- und Radioberichte in Afghanistan gemacht und war fünfzehn Mal im Land. Dieses Porträt könnte sich als Kuriosität schnell erschöpfen. Doch wenn Shaheens Freunde, Fans, und Darsteller - in Personalunion - davon erzählen, wie nach einem Raketenangriff mit zehn Toten weiter gedreht wurde, drängen sich die erschütternden Realitäten dieses Landes in Bilder, die sich die Überlebenden unter Tränen zusammen mit der Regisseurin anschauen. Shaheen drehte auch während des Bürgerkriegs weiter. Er kommandierte eine lokale Miliz und ließ gleichzeitig seine Soldaten als Statisten auftreten. „Ich war ein Künstler-Kommandant, kein Killer."

Kronlund erlaubt sich, das reiche und packende Material ohne typische Dramaturgie, etwa mit irgendeiner Katastrophe vor dem Schluss zu montieren. Eine mit viel Kenntnis Afghanistans entstandene Dokumentation, die sehr geschickt die Porträts von Land und Filmemacher verbindet.