28.2.17

Silence

USA, Taiwan, Mexiko, 2016 Regie: Martin Scorsese mit Andrew Garfield, Adam Driver, Liam Neeson, Tadanobu Asano 162 Min. FSK: ab 12

Martin Scorsese bekam „Schweigen", den Roman des katholisch japanischen Schriftstellers Shûsaku Endô, 1988 in die Hände, nach seinem Film „Die letzte Versuchung Christi". Fast drei Jahrzehnte lang arbeitete der italienisch-stämmige Katholik an diesem Projekt und es ist sicher kein Zufall, dass der Film nun in Zeiten des Wiederaufkommens religiösen Wahns an die Öffentlichkeit kommt. Man kann sich eine Stunde lang aufregen über die portugiesischen Missionare, die sich nicht anders verhalten als heutzutage Salafisten in Deutschland. Die werden ja auch nicht freundlich aufgenommen. Die Jesuiten Sebastião Rodrigues (Spider-Man Andrew Garfield) und Francisco Garupe („Paterson" Adam Driver) lassen sich 1638 in das hermetisch abgeschlossene Japan schmuggeln, um dem Verbleib des legendären Priesters Pater Ferreira (Liam Neeson) nachzuforschen. Und es scheint, als wenn die armen japanischen Bauern und Fischer nichts sehnlicher brauchen als endlich mal wieder eine anständige Beichte. Die selbstverständlich streng verfolgt wird: Priester werden verbrüht, Gläubige verbrannt und geköpft. Da ist der gemeine Japaner nicht zimperlich. Damit ist man aber schon reingefallen auf die selbstverständlich verzerrte Erzähl-Perspektive der engstirnigen Gottesmänner.

In seinen überraschenden und intensiven Entwicklungen lässt Scorsese Pater Rodrigues nicht mit der Versuchung kämpfen, wie einst Ferreira, unter grausamer seelischer Folter seinem Gott abzuschwören. Die Verführung, der dieser so abschreckend selbstgewisse Gläubige erliegt, liegt darin, dass er die recht einfältigen Schäfchen für sich leiden und sterben lässt. Und sich tatsächlich in einem Wahn, der an Herzog/Kinskis schwüle Tropen-Visionen erinnert, mit Jesus vergleicht. Ebenso ähnelt auch das Gesicht vom unfassbar eindrucksvollen Liam Neeson zu Beginn des Films dem von Willem Dafoe als Jesus in „Die letzte Versuchung Christi".

Vielschichtig in jeder Hinsicht entwickelt sich nicht nur die religiöse Diskussion zwischen dem buddhistischen Inquisitor und Rodrigues. In wunderbaren Bilder und Melodien, mit Topshots und anderen tolle Aufnahmen, die schon Gemälde sind, wird historisch der Beginn der kompletten Abschottung Japans rekonstruiert. Begnadete junge Schauspieler bewegen sich auf den psychologisch komplexen Abwegen der Religionen. Denn selbstverständlich darf in den immer religiös zu interpretierenden Werken Scorseses „Kundun" über den 14. Dalai Lama nicht vergessen werden. Prallvoll mit geistreichen Spitzfindigkeiten und tiefen spirituellen Fragen lässt sich auch „Silence", dessen Titel das Schweigen Gottes meint, längst nicht in einem Blick erfassen. Ein großes, vielschichtiges Kunstwerk, so genial gemacht, dass man fast gläubig werden könnte. Ein Anbetender der Kunst von Martin Scorsese.