21.2.17

Lion

Australien, Großbritannien, USA, 2016 Regie: Garth Davis mit Dev Patel, Rooney Mara, Nicole Kidman, David Wenham , Sunny Pawar 120 Min. FSK: ab 12

Der fünfjährige Inder Saroo (Sunny Pawar) ist ein aufgewecktes Kerlchen. Mit seinem älteren Bruder klaut er Kohlen vom Güterwagon während die Mutter im Steinbruch arbeitet. Und er quengelt so lange, bis der Bruder ihn zu einer Bettel- und Sammeltour in einer größeren Stadt mitnimmt. Doch da muss er sich ausschlafen und soll warten, bis der Bruder zurückkehrt. Was nie passiert. Nun irrt der kleine Saroo herum, wird vertrieben und flüchtet in den falschen Zug, der ihn stundenlang bis nach Kalkutta mitnimmt. Ohne dass ihn jemand versteht, ohne dass er seinen Namen, geschweige den von Mutter oder seinem Heimatdorf nennen kann, beginnt eine Odyssee, die mit viel Glück im Waisenhaus endet. Noch mehr Glück hat der Junge, als ihn ein australisches Paar adoptiert.

Die erste Hälfte von „Lion" ist unheimlich intensiv nicht nur durch die herzergreifende Geschichte sondern auch durch die bildgewaltige Inszenierung von indischen Landschaften und Städten. Regisseur Garth Davis zeigt eine enorme Könnerschaft und wunderschön bittere Momente, wenn beispielsweise Saroo vor einem Café sitzt und pantomimisch einen essenden jungen Mann imitiert.

Nach einer wiederum wunderbaren Überblendung erleben wir den erwachsenen Saroo (Dev Patel) in Australien und in einem anderen Film. Nach seinem „Madelaine"-Erlebnis mit einer fritierten indischen Spezialität verfolgen ihn Träume von seiner Mutter, die er immer wieder als kleines Kind am Steinbruch trifft, und von seinem Bruder der ihn Jahr für Jahr, Nacht für Nacht am Bahnhof sucht. Google Earth und seine neuen Kommilitonen ermutigen ihn, eine Suche zu starten, bei der er sich allerdings fast selbst verliert.

Es ist beachtlich, wie dieser Film ohne viele Worte, nur mit seiner sehr gelungenen, mitreißenden Bildsprache auskommt. Ganz selbstverständlich sehen wir ihn in den beiden Welten zwischen denen Saroo zerrissen ist. Allerdings wird das großes Leiden daran nicht ganz verständlich gemacht: Mit zwei wunderbaren Adoptiv-Eltern und einer tollen Freundin, auch materiell ohne Sorgen, ist das Drama des erwachsenen Saroo, wesentlich weniger packend, als das des kleinen Jungen allein in der Millionen-Stadt, wenngleich das Ende mit viel Rührung auftrumpfen kann. Das Schicksal hunderttausender Straßenkinder in Indien ist dem Film ebenso ein Anliegen wie die Situation der Adaptiv-Kinder.

„Lion" basiert auf der autobiografischen Vorlage „Mein langer Weg nach Hause" von Saroo Brierley. Hauptdarsteller Dev Patel erinnert selbstverständlich an seinen ersten großen Erfolg „Slumdog Millionär" und auch etwas an „Best Exotic Marigold Hotel". Rooney Mara ist erneut mit ihrer enormen Präsenz ganz stark in der wichtigen Nebenrolle. Kidman spielt erstaunlich zurückhaltend und dadurch erträglich. Ganz im Dienste einer großen Geschichte, die über 25 Jahre brauchte, bis sie zum ihrem glücklichen Ende kam.