Italien 2013 Regie: Roberto Andò mit Toni Servillo, Valerio Mastandrea, Valeria Bruni Tedeschi, Anna Bonaiuto 96 Min. FSK: ab 0
Toni Servillo ist aktuell der eindrucksvollste Schauspieler Italiens. Falls „La Grande Bellezza" einen Oscar bekommt, dann nur wegen ihm. Wie gut er ist, zeigt die Polit-Satire „Viva la Libertà", in dem er eine Doppelrolle als müder Politiker und dessen verrückten Bruder spielt. Roberto Andò brachte seinen eigenen Roman gekonnt auf die Leinwand.
Enrico Oliveri (Toni Servillo) ist ein linker Muster-Politiker: Müde und abgestumpft schafft er es kaum noch, seine große Oppositionspartei zur nächsten Niederlage zu führen. Eines Morgens verschwindet Enrico. Die Partei, vor alle Oliveris rechte Hand Andrea Bottini (Valerio Mastandrea), ist führerlos panisch. Doch da gibt es ja noch den unbekannten Bruder, der in einer Nervenheilanstalt lebt. Giovanni Oliveri erweist sich als ideales Body-Double: Schon das erste Interview, in dem er die Politikerkaste als verlogen, faul und korrupt bezeichnet, ist ein Hit in den Medien. Bald lieben ihn alle, sogar die Frau von Enrico. Wie alle Populisten hat er einfache Wahrheiten parat, aber was ihn unterscheidet, ist eine fundierte humanistische Bildung. Zwischendurch ist er jedoch auch schön schräg, wenn er durch seinen Amtssitz schleicht und mit witzigen Schritten, den Linien am Boden folgt. Er singt auch schon mal unvermittelt am Konferenztisch und verlässt die Sitzung, während seine Parteibosse Antworten von ihm erwarten.
Derweil besucht Enrico in Paris seine alte Liebe Danielle (Sarkozy-Schwägerin Valeria Bruni Tedeschi!) und lebt in einer vergessenen Filmleidenschaft auf. Schnell wird er zum Ausstatter bei einem aktuellen Dreh, gewinnt das Herz von Danielles kleiner Tochter und lässt sich von einer jungen Regie-Assistentin verführen. Kurz danach steigt sogar seine alte Liebe mit kalten Füßen zu ihm ins Bett.
Partei und Politik in der Hand eines Verrückten - da passt nicht nur zu Italien. Die neue Hoffnung begeistert Volksmengen, verändert Menschen in seiner Umgebung. Ein Führer mit schönen, oft kryptischen Worten, der allerdings nie Konkretes sagt. Dafür spielt er Verstecken mit Präsidenten der Republik und beim Treffen mit Merkel legt er einen Tango aufs diplomatische Parkett.
Es kommt in „Viva la Libertà" nicht so sehr darauf an, den Polit-Betrieb in allen Details immer wieder bloßzulegen und so zu analysieren. Anders als Nanni Morettis „Der Italiener" (2006). So ähnelt dieser andere Italiener eher dem „Bob Roberts" von Tom Robbins, in dem ein rechter, korrupter Folksänger zum großen Kandidaten wird.
Roberto Andò gelingt die Verfilmung seines eigenen Romans mit Hilfe edelsten Schauspiels. Valeria Bruni Tedeschi steht für die leisen Töne neben Toni Servillo. Aber auch er, der in „Il Divo" als Giulio Andreotti noch Vollgas gab, geht es in „Viva la Libertà" gemächlich an. Die geniale Doppelrolle kulminiert in der letzten Einstellung, die offen lässt, wer jetzt die Wahl gewinnt und Regierungschef wird: Der Narr oder der Aussteiger.
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