USA 2013 Regie: Jean-Marc Vallée mit Matthew McConaughey, Jennifer Garner, Jared Leto, Michael O'Neill 117 Min. FSK: ab 12
Mit dem Bewusstsein über AIDS verschwand die Krankheit in den letzten Jahren auch aus der filmischen Aufmerksamkeit. 20 Jahre nach Jonathan Demmes „Philadelphia" taucht der „Dallas Buyers Club" mit großer Besetzung gleich als verdienter Oscar-Kandidat auf. Der von Matthew McConaughey eindrucksvoll verkörperte Ron Woodroof ist allerdings in dessen wahrer Geschichte ein veritabler Anti-Körper zu Tom Hanks.
Ein Spieler und Zocker, der beim Rodeo auf den falschen Reiter setzt und den wütenden Mitspielern nur entkommt, weil er einem befreundeten Polizisten eine runterhaut. Ein ausgezehrter Säufer, ein Raucher und ausgesucht homophober Sexist. Als der einfach gestrickte Elektriker Ron Woodroof (Matthew McConaughey) 1985 die Diagnose HIV-positiv erhält, will er den Arzt erst einmal verprügeln – er sei erwiesenermaßen auf keinen Fall schwul! Doch das Urteil, er habe nur noch dreißig Tage zu leben, bringt den Raudi zum Nachdenken.
Die Öffentlichkeit erfuhr 1985 vom AIDS-Schicksal des Filmstars Rock Hudson und wusste ansonsten nichts von dieser Krankheit. Die Medizin wusste nicht viel mehr. So erscheint im Krankenhaus von Dallas das einzige Mittel der Kliniktest eines unausgereiften, wegen seiner Gefahren früher schon mal verbotenen Medikaments. Neben den unbekannten Risiken bekommt auch nur die Hälfte der Patienten die neue Droge, der Rest erhält Placebos, erklärt Dr. Eve Saks (Jennifer Garner) Woodroof. Das passt dem aufbrausenden Kerl überhaupt nicht. In Eigen-Medikation schluckt er aus dem Krankenhaus-Müll geklauten Pillen, die er mit Koks und Schnaps verdünnt. Er liest sich in Bibliotheken ein und entdeckt - auch mit Hilfe von Außenseitern im Pharma-System - neue Quellen.
Die dreißig Tage sind mittlerweile abgelaufen und Woodroof lebt immer noch. Der Countdown kippt zu einer erstaunlichen Überlebensgeschichte, die gleichzeitig ergreifendes Porträt und Anklage von Pharma- und Gesundheitswesen ist. Denn das Musterexemplar von Texas-White Trash, der Hallodri wandelt sich zum gerissenen Schlitzohr, wenn er beispielsweise als vermeintlicher Priester den US-Grenzbeamten überzeugt, dass er einen ganzen Kofferraum voller Pillen für seinen eigenen Bedarf der nächsten drei Monate braucht. Woodroof schmuggelt effektive, aber von der Gesundheitsbehörde nicht zugelassene Pillen aus Mexiko, fliegt sogar zu einem Hersteller nach Japan. Letztlich verschenkt er die Medikamente an ebenfalls infizierte Leidensgenossen – die sich in seinem privaten Sanatorium als zahlendes Clubmitglied anmelden. Und das im andauernden Kampf mit den US-Behörden, die den Rebell im Gesundheitssystem klein kriegen wollen.
Ebenso erstaunlich wie die äußere Wandlung Woodroof in einen eleganten Geschäftsmann ist die Reifung des ehemaligen Schwulen-Hassers. Einmal infiziert erlebt Ron Ausgrenzung, Angriffe und Angst von Freunden, Bekannten wie Nachbarn im texanischen Wohnwagen-Camp. Er braucht allerdings noch ein paar deftige Denkanstöße, bis er den Transvestiten Rayon (Jared Leto) akzeptieren kann, der schließlich zu einem sehr guten Freund wird.
Matthew McConaughey („The Wolf of Wall Street", „Magic Mike", „Der Mandant") legt gerade mit viel Mut zu brüchigen Charakteren eine eindrucksvolle Leistung nach der nächsten hin. Für die tolle Rolle des geläuterten Ron Woodroof nahm er 20 Kilogramm ab, aber auch ohne dies wäre er ein ganz heißer Oscar-Kandidat. Während die Hollywood-Inszenierung des großartigen Regisseur Jean-Marc Vallée nach seinen Meisterwerken „Café de Flore" und „C.R.A.Z.Y. - Verrücktes Leben" sich mit vielen starken Momenten (Kamera: Yves Bélanger) auf seine Hauptfigur konzentriert, bröckelt die Figurenzeichnung (Buch: Craig Borten, Melisa Wallack) zum Rand hin ab und auch thematisch wäre eine Erweiterung der autobiografischen Sicht wünschenswert. Doch „Dallas Buyers Club" bleibt nicht allein wegen Matthew McConaughey ein sehenswertes, eindringliches Drama.