31.1.13

David Sieveking porträtiert demenzkranke Mutter in „Vergiss mein nicht“

Film-Arbeit ist wie Trauerarbeit


Regisseur und Aachener Produzent Heisler im Eden-Kino

Aachen/Berlin. David Sieveking ist mit seinem sehr persönlichen Dokumentarfilm „Vergiss mein nicht" der Mann der Stunde: Bei Lanz und vielen anderen Medien- und Festivalterminen erzählt der junge Filmemacher, wie er die letzten Monate mit seiner demenzkranken Mutter dokumentarisch festhielt. Die mutige, rührende und auch erschütternde Beschäftigung mit der Krankheit trifft überall auf ein breites Interesse. Am Samstag präsentiert Sieveking zusammen mit seinem aus Aachen stammenden Produzenten und Freund Martin Heisler „Vergiss mein nicht" sowie das gleichnamige Buch in Aachen. Günter H. Jekubzik sprach mit dem Regisseur.

Nach der Weltpremiere in der Kritikerwoche von Locarno im August tourte der Film „Vergiss mein nicht" rund um die Welt von Montreal bis Island, zuletzt war er beim Festival von Rotterdam zu sehen. Dabei freut David Sieveking vor allem, dass der Film „auch ohne Deutschkenntnisse als universale Liebesgeschichte emotional funktioniert". Menschen in verschiedenen Ländern und Kulturen würden Erfahrungen machen, die sie ihr Weltbild hinterfragen lassen. Vor allem hat der Film auch „einigen Leuten Mut gemacht, sich der Krankheit zu stellen."

Im Sohn Sieveking, der nun quasi seit Monaten mit dem Angedenken an seine Mutter durch die Welt tourt, kommen immer noch „starke Gefühle hoch" wenn er den Film wieder sieht. „Dann bin ich sehr gerührt. Die Film-Arbeit ist wie Trauerarbeit, das hat mir sehr geholfen." Er findet, „das ganz gesund, dass ich das gemacht hab" und positiv, „dass es mit anderen Leuten teilen kann."

Buch abstrahiert Unzeigbares
Das Buch „Vergiss mein nicht" war eigentlich nicht geplant, die Idee kam erst später hinzu: „Jetzt schreib ich alles das, was ich im Film nicht angesprochen habe". Doch es ist nicht das übliche „Buch zum Film", denn es kann als unabhängiges Werk „ganz andere Sachen erzählen, kann ergänzen".

Er konzentrierte sich auf die Momente, die ein Film nur schwer darstellen könne: „Die schleichenden Veränderungen, die privaten Aspekte, wo die Kamera nicht immer dabei sein kann." So schreibt Sieveking dort auch von den letzten sechs Monaten im Leben seiner Mutter, die im Film ausgelassen wurden, „mit den Sekundärkrankheiten und den Schwierigkeiten am Ende des Weges". Denn, „man kann mit der Kamera nicht auf der Intensivstation filmen oder zeigen, wie sie fast erstickt beim Essen". Schwierige Momente, ließen sich „erträglicher in einem Buch beschreiben, mit Hilfe einer gewissen Abstraktion".

Während der Film „mehr Liebes- und Lebensgeschichte" der Eltern ist, konzentriert sich das Buch auf die „Mutter-Sohn-Geschichte". Außerdem gäbe es für Leute, die sich für Demenz interessieren, mehr Anhaltspunkte.

Die erbitterte Diskussion um das Buch „Abschied von meinem Vater" von Tilman Jens, Sohn des ebenfalls demenzkranken Walter Jens, hat David Sieveking nicht direkt beim Schreiben beeinflusst. Er habe es viel liebevoller empfunden als man es nach den Kritiken erwartete. Eines hat den Regisseur besonders stark beeindruckt: Obwohl Walter Jens seinen Wunsch, zu sterben, in einer Patientenverfügung detailliert philosophisch begründet habe, waren „Frau und Sohn dann nicht fähig, den Wunsch zu erfüllen. Das hat mich beim Schreiben und in der Erfahrung mit meiner Mutter stark beeinflusst."

Freund als Produzent
Den aus Aachen stammenden und in Berlin arbeitenden Produzenten Martin Heisler lernte David Sieveking schon beim Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) kennen. Über die Zusammenarbeit bei „Vergiss mein nicht" und schon vorher bei „David wants to fly" zeigt sich der Filmemacher voll des Lobes: „Martin ist kein zynischer Producer-Typ, der Geld verdienen will. Zudem war er auch auf Grund einer ähnlichen Erfahrung in seiner Familie sehr einfühlsam, vor allem, als wir den Film für einige Monate auf Eis gelegt haben, weil es meiner Mutter plötzlich viel schlechter ging." So ist es auch nicht verwunderlich, dass bei den nächsten Projekten, die Sieveking plant, auch zwei zusammen mit Martin Heisler dabei sind.

„Vergiss mein nicht" Buchvorstellung und Filmvorführung
Eden-Palast, Franzstraße, Aachen
Sa. 2.2., 20 Uhr
mit Regisseur David Sieveking, Produzent Martin Heisler und Dr. med. Andreas Theilig (Vorsitzender der Alzheimergesellschaft Städteregion Aachen)

Das Buch
Buchtitel: Vergiss mein nicht

Sieveking, David
Vergiss mein nicht. Wie meine Mutter ihr Gedächtnis verlor und ich meine Eltern neu entdeckte.
Verlag Herder, 240 Seiten € 17,99