22.1.13

Flight

USA 2012 (Flight) Regie: Robert Zemeckis mit Denzel Washington, Don Cheadle, Kelly Reilly, John Goodman, Bruce Greenwood 138 Min.

Was für ein Absturz! Beim frühen Flug aus Orlanda hat der Pilot Whip Whitaker (Denzel Washington) - der Name klingt wie ein Cocktail mit viel Sahne - wieder voll geladen: Alkohol, Koks und 102 Menschen in seinem Flieger. Doch sein permanenter, chemisch verstärkter Höhenflug verliert plötzlich den Boden unter den Füssen, als ein technischer Defekt die Maschine rasant abstürzen lässt. Noch spektakulärer fällt allerdings Whitakers Rettung aus: Kopfüber fängt er sich wieder, landet auf einem Feld und fällt ins Koma.

Nun ist Whip Whitaker ein Held, was ihm ausgerechnet sein übercool aus der Zeit gefallener Dealer (John Goodman) verklickert. Doch wie einst beim legendären Marco Pantani findet man nach dem Unfall Drogen im Blut, dem Piloten droht nun nicht Ruhm sondern Gefängnis. Noch bevor die Anklagen kommen, schmeißt er seine Drogen weg, den Alkohol, das Gras. Die Kollegen von der Fliegergewerkschaft und deren gerissener Anwalt Hugh Lang (Don Cheadle) schaffen, es den Vorwurf auszuräumen. Jetzt muss Whitaker nur noch bis zur offiziellen Anhörung nüchtern bleiben...

Regisseur Robert Zemeckis kehrt mit diesem Überflieger nach einer zwölfjährigen Abhängigkeit von furchtbaren Motion-Capture-Filmen eindrucksvoll zurück: Er inszeniert Washingtons Whitaker in den ersten Sekunden so wahnsinnig cool, wie der sich nach einer wilden Nacht mit Alk, Koks und Sex fühlen muss - nur ohne den Kater. Zum Durchstarten gibt es für den Alltags-Junkie mehr vom Gleichen und direkt ein atemberaubendes Abheben. Während der lustige Flieger die Passagiere beruhigt, kippt er sich noch zwei Wodka und macht ein Nickerchen mit Autopilot. Der Absturz dann ist ähnlich heftig wie der, den Zemeckis für Tom Hanks in „Cast Away - Verschollen" inszenierte. Noch sind keine 30 Minuten im Film vergangen!

Und auch diesmal kommt der Held ganz allein bei sich selber an: Sein Leben ist eine Katastrophe auf ganz hohem Niveau, so circa 30.000 Fuß über festem Boden. Erst eine richtige Katastrophe öffnet Whitaker die Augen dafür, dass seine Ehe gescheitert ist und sein Sohn nichts von ihm wissen will. Doch kann man sich einen schwierigeren Zeitpunkt denken, um sich den Alkoholismus einzugestehen? Um die Wahrheit zu sagen, wenn dafür einige Jahre Knast drohen. Denn Whitaker hat mit seinem Kunstflug tatsächlich vor allem viele Menschenleben gerettet. Nur sechs sind gestorben. Recht und Gerechtigkeit stehen mächtig auf Kriegsfuß.

Aus diesem psychologisch wie dramaturgisch genialen Dilemma (Buch: John Gatins) macht Robert Zemeckis einen intensiven und komplexen Film. Es geht um mehr und es gibt mehr. Etwa dieses fast mythische Raucher-Treffen auf dem Flur des Krankenhauses: Drei Menschen mit besonderer Nähe zum Tod sinnieren bei einer nikotin-geschwängerten Atempause, unter ihnen die drogensüchtige Nicole Maggen (Kelly Reilly aus „Sherlock Holmes - Spiel im Schatten"), die Whitaker bei aller Liebe auch nicht zu den AA-Treffen bewegen kann.

Dazu kommt immer wieder ein Gott ins Spiel. Mal ist seine Kirche bei der Landung im Weg. Baptisten, die gerade wiedergeboren werden wollten, laufen in ihren weißen Gewändern eher an aufgescheuchte Hühner als an Engel erinnernd, in den Trümmern rum. An einer Wand hängt das letzte Abendmahl. Dann ereifert sich noch der sehr mäßige Kopilot mit seiner religiösen Freundin in einer kruden Form von himmlischem Gerechtigkeitssinn. Whitaker zieht lange seinen eigenen Himmel vor und möbelt eine alte Cesna zur Flucht auf.

Aber es gibt keine einfache Lösung. Dieser filmische Höhenflug von einem oscar-reifen Zemeckis und mit einem ganz gewöhnlich sensationellen Denzel Washington bleibt seinem Dilemma treu wie der Trinker der Flasche. Ein hochgradig gut gemachtes und thematisch extrem spannendes Kino-Muss.