5.4.10
A Single Man
USA 2009 (A Single Man) Regie: Tom Ford mit Colin Firth, Julianne Moore, Matthew Goode 99 Min.
Sehr sorgfältig wird am Morgen des 30. November 1962 in Los Angeles in einer erstaunlichen Metamorphose aus einem beliebigen Mann der 58-jährige britische Literaturprofessor George (Colin Firth). Ausgewählte Kleidung, edle Uhr, die Krawatte mit Windsor-Knoten sitzt. George braucht diesen Halt, weil der Tod seiner großen Liebe ihm das Herz gebrochen und den Lebenssinn geraubt hat. So soll der 30. November 1962 ein besonderer Tag werden, die peniblen Vorbereitungen umfassen auch einige Abschiedsbriefe, denn George will sich am Abend umbringen. Dieser Tag ist deshalb ein Fluss von Erinnerungen und letzten Begegnungen. Und letzten Momenten vor allem: Der Abschiedskuss seiner Liebe Jim vor dessen tödlichen Autounfall. Das Glück von 16 Jahren gemeinsamen Lebens. Der Abschied, der auch nachher kein richtiger sein durfte, denn als Schwuler (in den Sechzigern) durfte George nicht beim Begräbnis seines Mannes dabei sein. Jim Familie untersagte dies.
Gefasst, mit seiner britischen Reserviertheit, aus der die wahren Gefühle nur ganz selten hervorbrechen, begeht George seinen letzten Arbeitstag an einer Universität in Los Angeles, trifft einen jungen Stricher, isst mit seiner besten Freundin Charlotte (genial: Julianne Moore) zu Abend und geht mit einem aufdringlichen Studenten einen Trinken. Zu Hause wartet mit den Abschiedsbriefen eine Pistole…
Was von diesen 24 Stunden gezeigt wird, gehörte letztes Jahr in Venedig zu den besten Filmmomenten: Der Abend mit Charlotte, geprägt von einer Seelenverwandtschaft und gefährdet von verletzten Abhängigkeiten. Die lustvolle Nacht mit dem jungen Studenten, das Baden im Meer und im Glück. Der angekündigte Tod sorgt bei allem noch für ein paar Überraschungen.
Der erste Film von Tom Ford, der seiner erfolgreichen Arbeit als berühmter Modedesigner (unter anderem für Gucci) etwas Gehaltvolles entgegen setzen wollte, schuf auf Anhieb ein äußerst sinnliches und extrem berührendes Meisterstück. Auf Basis von Christopher Isherwoods 1964 erschienenem Roman „A Single Man“ erzählt Ford in Bildern betörender Schönheit. Die edlen Materialien des sanften Flusses der Erinnerungen reichen von den Stoffen und Accessoires der morgendlichen George-Werdungs-Zeremonie über den schicken mit Holzfurnier ausgestatteten 220S, mit dem der Kulturmensch formvollendet zur Arbeit fährt. Die Literatur und die Musikstücke des Films werden gekrönt von dem exquisiten Schauspiel von Colin Firth und Julianne Moore.
Der Brite Firth - nächste Woche im „Bildnis des Dorian Gray“ der einzige Lichtblick - gibt einen tief verletzten Zyniker, der kurz vor dem Freitod an gebrochenem Herzen die Freude am Leben wieder findet. Seine Stimme (im Original) sonor brechend ist nur eines von vielen Geschenken dieses stilistisch und emotional extrem starken Films.