26.4.10
Baarìa
Italien 2009 (Baarìa) Regie: Giuseppe Tornatore mit Francesco Scianna, Margareth Madè, Raoul Bova 151 Min. FSK: ab 6
Guiseppe Tornatore machte einst „Cinema Paradiso“. Sein neuer kleiner Held Peppino (Francesco Scianna) hebt in „Baarìa“ schon in den ersten fünf Minuten ab. Unterstützt durch die Musik von Ennio Morricone. Ein Film, der mit den Mitteln des großen Kinos klotzt. Und abstürzt, weil er zu viel will.
Peppinos Vater ist der bärenstarke und raffinierte Cicco (Gaetano Aronica), der sich nichts vom reichen Grundbesitzer gefallen lässt. Hier beginnt der Kampf von Arbeit gegen Kapital, wobei Kapital in Sizilien aus einer guten Waffe und der Abwesenheit von Moral besteht. „Baarìa“ nennt sich das sizilianische Dorf, in dem der Filmemacher Tornatore groß geworden ist, im lokalen Dialekt. „Baarìa“ ist sizilianisch in Geschichte, Figuren, Schauspiel und in Sprache - so sehr, dass auch die Italiener zeitweise Untertitel brauchen. Und in Sizilien muss es eine Geschichte von Armut und Hunger sein. So arbeitet Peppino schon als kleiner Knirps beim Schafhirten. Die Eltern bekommen drei Laib Käse dafür. Später wird er in den Straßen Milch verkaufen, ganz frisch von der Kuh, die er an einer Leine mitführt.
Es sind die dreißiger Jahre. Das Volk macht Scherze über die Faschisten, ebenso wie es sich über die Mafia lustig macht. Zwar werden immer mal wieder „Subversive“ abgeführt, aber der Film geht milde mit den Verbrechern um. Nie kocht die Wut gegen die heimlichen Herrscher Siziliens und ihre Morde hoch. Selbstverständlich eint die Familie über mehrere Generationen hinweg die Leidenschaft für das Kino. Und auch die große Liebe darf nicht fehlen. Sie beschränkt sich erst eine Liebe auf die Briefe des mittellosen Peppino zu Mannina (Margareth Madè). Bis er das Haus der Schwiegereltern besetzt und es so zur Hochzeit kommt.
Immer wieder taucht Tornatore in große Szenen ein, immer wieder sehen wir die Straßen um die Kirche und das Haus von Peppino. Die Zeitsprünge mit dem immergleichen Trick, bei dem ein Gesicht altert, wirken beim dritten Mal schon fade. Es gibt auch immer wieder nette Momente, etwa wenn aus dem Fallschirm der amerikanischen Befreier nach einem Schnitt sehr viel Kinderbekleidung wird.
„Baarìa“ erzählt ein wenig auch die Geschichte der Kommunistischen Partei Italiens, bei der man für die politische Karriere einen warmen Mantel brauchte: Ohne einen Besuch im kontrollierenden Moskau ging nichts. Doch große Themen wie eine illegale Landnahme, die bei den Tavianis episches Gewicht bekommen hätten, laufen hier nebenher mit. Auch die Konzentration auf ein ewiges Duell zwischen Ausbeutern und Arbeitern wie in Bertoluccis „1900“ kristallisiert sich nicht heraus. Über Demonstrationen der Linken, die zu Toten in den Städten führten, berichtet der Film vom Hörensagen. Nur selten darf das steinige, so brutale und so eindrucksvolle Sizilien selbst in seiner Großartigkeit ins Bild. „Baarìa“ war sicher eine sehr aufwendige Studioproduktion, aber halt nur eine Studioproduktion.
Garniert mit viel sizilianischer Tradition und absurd kurzen und peinlichen Szenen mit Monica Bellucci mag „Baarìa“ ein italienisches Thema sein, aber keine Sensation, die über die Landesgrenzen hinaus begeistern wird. Erst in den letzten 15 Minuten purzeln die großen Szenen wieder in den Film: Da ist der Hohn eines blinden, aber selbstverständlich korrupten Stadtplaners, der die Farce um eine blinde Wählerin abschließt. Poetisch mit doppeltem Boden erweist sich Peppinos Leben nur als Traum eines kleinen Jungen, der doch Jahrzehnte später genau in der Welt erwacht, deren Entstehen sein Traum erzählte.