28.4.10

Sin Nombre


Mexiko, USA 2009 (Sin Nombre) Regie: Cary Joji Fukunaga mit Paulina Gaitan, Edgar Flores, Kristyan Ferrer, Tenoch Huerta Mejía 96 Min. FSK ab 16

Mit einem Zug von Immigranten aus Lateinamerika in die USA kommt ein großes und gewaltiges Drama - stark und erschreckend wie der brasilianische „City of God“, wie der mexikanische Neo-Klassiker „Amores Perros“. Mit ebenso traumhaften wie exakten Bildern erzählt „Sin Nombre“ sein Drama. Es ist ein großes Drama um Freundschaft und Liebe, um den vermeintlichen Schutz einer brutalen Gang, der sich als verräterisch und gnadenlos erweist.

Ein lächelnder Mann, am ganzen Körper, sogar im ganzen Gesicht tätowiert, mit seinem Baby im Arm - ein Bild, das sich einprägt. Vor allem weil Lil’ Mago (Tenoch Huerta Mejía) ein Anführer von „Mara Salvatrucha“ ist. Diese ursprünglich salvadorianischen Gangs haben ihre Wurzeln in Los Angeles, verbreiteten sich aber in ganz Latein- und Zentralamerika. Der ambivalente Auftritt vom lokalen Paten Lil’ Mago, der ein paar Straßenzüge im mexikanischen Tapachula beherrscht, vibriert vor Spannung, weil der Mann gleichzeitig ein brutaler Killer ist. Einen Moment später lässt er den Gefangenen einer gegnerischen Gang vom Kind Smiley erschießen. Das Baby hält er immer noch auf dem Arm.

„Sin Nombre“ erzählt die Geschichte von El Casper (Edgar Flores), einem Mitglied der Gang von Lil’ Mago. El Casper kümmert sich um die „Erziehung“ des kleinen Jungen Smiley (Kristyan Ferrer) zu einem Bandenmitglied. Das Aufnahmeritual - lange 13 Sekunden brutaler Prügel - hat Smiley mit einem Lächeln überstanden. Aber El Casper vernachlässigt seine Verbrecherjobs, weil er zu viel Zeit mit seiner Liebe Martha Marlene verbringt, was auch ihm die Prügelstrafe einbringt. Nachdem Martha Marlene von Lil’ Mago bei einem Vergewaltigungsversuch umgebracht wurde, erschlägt El Caspar seinen Boss, als der beim Ausrauben von durchreisenden Immigranten die junge Sayra (Paulina Gaitan) aus Honduras quält. Der Mann mit der tätowierten Träne ist jetzt ein Vogelfreier, eigentlich schon tot. Er reist mit Sayra und einem Zug voller blinder Passagiere gen Norden, Richtung USA, und wird von den Gangs verfolgt. Sein Mörder soll ausgerechnet Smiley sein.

„Sin Nombre“ ist ein großartiges, mächtiges Drama, das sich satt und schnell entwickelt. Der Fluss des Films ist immer wieder sagenhaft: Von einem ruhigen Dahinrollen durch die Landschaft mit dem vom Zug, der so ganz anders, so viel ehrlicher als in „Megacities“ wirkt, steigert sich die Szene über ein raffiniertes Ausweichen der Grenzkontrollen zu einer heftigen Schießerei zwischen den Gangs. Doch bei aller erstaunlicher Filmkunst von Cary Joji Fukunaga, einem Amerikaner mit schwedischen und japanischen Wurzeln, prägen sich die Figuren und Schicksale am stärksten ein: Smiley, der kleine Killer. Erschreckend, beängstigend. Das Mitleid, das man mit dem stillen Jungen hatte, als er die brutale Prügel aushielt, wandelt sich bald. Man versteht eigentlich nicht, wieso er seinen Mentor El Casper verrät, doch der Kleine geht so entschlossen seinen Weg, dass man begreifen muss, was die Gang solch einem Kind bedeutet. So viel, dass er über Leichen geht. Die Gangs als Hort und Familienersatz sind ebenso Realität wie der ununterbrochene Zug von Flüchtlingen in Richtung Norden. Solche Geschichten können nicht gut ausgehen. Selbst wenn es jemand in die USA schafft, schmeckt dieser Erfolg furchtbar bitter.