5.7.06

Das Haus am See


USA 2006 (The Lake House) Regie: Alejandro Agresti mit Keanu Reeves, Sandra Bullock, Christopher Plummer 98 Min. FSK: o.A.
 
Fernbeziehungen! Menschen mit Angst vor der Nähe stehen drauf. Die mit Fühl- und Sehsucht hassen sie! Diese Fernbeziehung namens "Das Haus am See" muss man lieben! Denn Keanu Reeves und Sandra Bullock trennen keine Kilometer oder Kontinente. Zwei Jahre liegen zwischen ihren Leben und in diesem Abstand steckt unfassbare Leinwandmagie mit wunderbarer Romantik.
 
Als Alex in sein traumhaftes Stahl-und-Glashaus auf Stelzen am See zieht, findet er einen Hinweis im Briefkasten: Er möge doch der Vormieterin Kate (Sandra Bullock) etwaige Post nachsenden. Doch deren Adresse gibt es nicht, trotzdem entspannt sich über den Briefkasten eine intensive Kommunikation, eine Brieffreundschaft und schließlich Liebe. Mit einem Problem: Architekt Alex lebt im Jahr 2004 und Ärztin Kate 2006!
 
Nur ihre Briefe erreichen einander, indem beide sie in einem scheinbar magischen Briefkasten ablegen. Da stehen sie dann ganz alleine davor und das amerikanische Briefkasten-Fähnchen geht wie von Geisterhand immer wieder rauf. Eine direkte Kommunikation – über die Distanz von 24 Monaten.
 
Trotzdem kriegen sie einen gemeinsamen Spaziergang miteinander hin, obwohl er den Weg zwei Jahre vor ihr geht. Aber immerhin hinterlässt er ein Graffiti, das die ganze Zeit lang an der Wand auf sie wartet. "Das Haus am See" ist voll von dieser Romantik, die man auch außerhalb des Kinos jemanden schenken möchte. Aufgrund einer Randbemerkung pflanzt er Bäume, nach denen sie sich sehnen wird, dorthin wo sie demnächst wohnen wird. Fast schaffen sie es sogar, über zwei Jahre miteinander zu telefonieren. Etwas, was vielen Leuten, die sich gleichzeitig in der Gegenwart miteinander verbunden fühlen, nicht gelingt. Kate gelingt es, ihn in seiner Trauer über jede Entfernung zu trösten, irgendwie bei ihm zu sein, obwohl alles dagegen spricht. Und auf ein Treffen, das für sie morgen stattfindet, muss er zwei Jahre warten. Dafür kann er aber auch den Platz im schicken Restaurant richtig rechtzeitig buchen. Und pünktlich ein Buch finden, dass sie einst am Bahnhof vergaß: Es ist "Persuasion" von Jane Austen, in dem die 27-jährige Schöne erkennt, das der einst Verschmähte, doch der Richtige ist. Es geht um Zeit, um die wahre Liebe zur falschen Zeit. Und auch die Musik ergänzt kongenial die Idee: Carole Kings "It's to late" (baby, though we really tried to make it), Nick Drakes Abwarte- und Aushalt-Lied "
Time has told me", dazu Paolo Conte und andere wunderbare Songs.
 
Diese wundervolle Idee klingt komplizierter, als sie sich ansieht. Die raffinierte Konstruktion, die leicht durch die Zeiten springt, ist pure Magie, ein anhaltender Dialog im Off hält die Ebenen zusammen. Der argentinische Regisseur Alejandro Agresti ("Boda Secreta"), der mit kleineren, oft niederländisch produzierten Filmen auf sich aufmerksam machte, findet in seinem Remake des koreanischen "Siworae" ("Il Mare") faszinierende, verspielte und schöne Lösungen für diese unmögliche Kommunikation, etwa einen witzigen Splitt-Screen, fast als könnten sie sich live unterhalten.
 
"Das Haus am See" könnte eine Episode vom japanischen Autor Murakami sein. Nein, und dieser Film hat auch nichts mit Reeves/Bullocks "Speed" zu tun. Alles klärt sich fließend, ohne Hast. Dann beginnt eine neue hirnzermarternde Situation: Alex trifft in seiner Zeit Kate, die noch gar nicht weiß, dass sie ihn in zwei Jahren lieben lernen wird! Das hat ein wenig von der Zeitschleife in "Twelve Monkeys". Wenn dann Kates Hund, der Alex auf unglaubliche Weise in der Vergangenheit zugelaufen ist, auf den Namen reagiert, den sie ihm in der Zukunft geben wird, dann ist das Hirnverdreher pur!
 
Jetzt weiß man ja seit den Äußerungen von Zeitreisenforscher Prof. Dr. Dr. James T. Kirk, dass diese Geschichten nicht ohne Paradoxien und Unmöglichkeiten abgehen. Aber hier an logischen Fehlern mäkeln, wäre wie Romeo und Julia das Lesen des Beipackzettels zu empfehlen. Diese warm umgesetzte Idee einer "ver-rückten" Liebe, einer zeitversetzten Fernbeziehung ist beste Kinoromantik mit mehr Ideen und Gefühlen als Rest-Hollywood in einem Jahr rausrückt.