Deutschland 2020 Regie: Sönke Wortmann, mit Nilam Farooq, Christoph Maria Herbst, Hassan Akkouch, 104 Min. FSK: ab 12
Die äußert präzise Eingangsszene lässt im Hörsaal der Frankfurter Goethe-Universität die aus Marokko stammende Jura-Studentin Naima Hamid (Nilam Farooq) auf den arroganten Dozenten Richard Pohl (Christoph Maria Herbst) treffen. Man hat ihren langen und symbolisch mühsamen Weg aus den Vororten erlebt, den Job vor Sonnenaufgang, das Kümmern um den kleinen Bruder. Naimas Verspätung benutzt Pohl, um StudentInnen wie üblich coram publico herunterzumachen. Mit rhetorischer Brillanz und im Falle von Naima gewürzt mit rassistischen Andeutungen.
Doch nach 300.000 Klicks der Szene in den Sozialen Medien hat vor allem der arrogante Professor Pohl ein Problem. Das sind die Tropfen, die ihm mit anderem Fehlverhalten die Entlassung bringen könnten. Wie der befreundete Uni-Leiter ihm beibringen muss. Nur eine Image-Kampagne, in der Pohl die Studentin für einen Rhetorik-Wettbewerb vorbereitet, kann ihn retten. Widerwillig stimmt der Dozent zu, der glaubt über den Dingen zu stehen.
Die Geschichte mag bekannt vorkommen. Nicht nur wegen Alltags-Rassismus und dem typischen Fertigmachen von jungen Menschen in solchen Institutionen. „Contra" ist wieder einmal das Remake eines französischen Erfolgsfilms, diesmal von „Die brillante Mademoiselle Neïla" (Le Brio), den Regisseur Yvan Attal 2017 mit Daniel Auteuil und Camélia Jordana in die Kinos brachte. Und das „Wieder" aus Wiederholung muss weiter bemüht werden, denn auch der deutsche Regisseur Sönke Wortmann und sein Hauptdarsteller Christoph Maria Herbst sind Wiederholungstäter: Bereits Wortmanns letzter Film „Der Vorname" (2018) war ein (eher schwacher) Abklatsch des sechs Jahre älteren französischen „Le prénom". Herbst gab schon damals einen etwas weltfremden Intellektuellen.
Nun ist Sönke Wortmann nach seinen frühen, noch originellen Komödien wie „Kleine Haie" und „Der bewegte Mann" (1994) mit Renommierprojekten wie „Das Wunder von Bern" (2003) ein zuverlässiger Erfolgsregisseur geworden. Auch dieses Remake wird gekonnt nach Deutschland verpflanzt (Buch: Doron Wisotzky). Da feiert Naimas Freund seine „Kartoffelparty" zur Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft. Ihre eigene Familie muss trotz der schier übermenschlichen Bemühungen der studierten und als Putzfrau arbeitenden Mutter noch warten und bangen. Vor allem weil der Bruder ins kriminelle Milieu abrutscht. Das ist der wenig überraschende, aber stimmig gesetzte soziale Rahmen. Angetrieben wird „Contra" jedoch von Duell und Annäherung zwischen Naima und Richard Pohl. Der Professor kann der Aufsteigerin durchaus viel vermitteln, tut das aber weiterhin auf eine provokante und grenzwertige Weise. Die Wut der jungen Frau, die aufgrund des Namens nicht mal ein Praktikum bei einer Anwaltskanzlei erhält, hält sich dagegen in Grenzen. Im Vergleich zur Vorlage geriet Naima deutsch verklemmt. Da tut Pohls Spiel der Beleidigungen, die sich die beiden an den Kopf schleudern, richtig gut. Gelungen zum Lockern für beide Figuren auch die Idee, vor öffentlichen Auftritten die Nervosität durch Tanzeinlagen zu vertreiben.
Überhaupt sind Figuren-Zeichnung und -Entwicklung sehr rund. Die Einsamkeit des Ekels und seine tragische Vergangenheit bringt Herbst hervorragend vor die Kamera. Nilam Farooq ist als klug ehrgeizige Naima Hamid nach ihrer Rolle in „8 Zeugen" nicht mehr unbedingt eine Entdeckung, aber eine exzellente Besetzung. Wobei auch dieses Wortmann-Remake ausgiebig vom Filter „brav" Gebrauch macht: Die Konfrontation ist harmloser, das wachsende Verständnis „wohlfühliger". Dies fällt besonders auf, weil in den Jahren des Film-Kopiervorgangs die Machtkämpfe um Rassismus und „Gender" quasi wöchentlich eskalierten.