2.2.21
Yes, God, Yes / Amazon Prime
Wie ist es, als „schwarzes Schaf" unter lauter weißen Wollknäueln zu leben, die sich letztlich als heftig einfärbt herausstellen? Alice (Natalia Dyer) wächst in einem streng katholischen Haushalt der ländlichen und puritanischen USA auf. An der Schule kann schon ein zu kurzer Rock Todsünde sein. Ausgerechnet sie landet völlig unbedarft in einem Sex-Chat und beginnt sich zu wundern. Dabei hat scheinbar nur sie überhaupt keine Ahnung, welche sexuelle Entgleisung ihr gerüchteweise mit einem Jungen nachgesagt wird. Wobei in dieser reglementierten Umgebung alles Sexuelle vor der Ehe Entgleisung ist. Denn das Alles habe Gott ja nur zum Zwecke der Fortpflanzung erfunden.
Der wie immer möglichst hirnlose deutsche Zusatztitel „Böse Mädchen beichten nicht" des etwas älteren Festival-Erfolgs „Yes, God, Yes" zielt wieder maximal daneben: Alice ist gerade kein „böses Mädchen"! Das Erstaunliche und Reizvolle an diesem netten Film mit grandioser Hauptdarstellerin ist, wie natürlich und unverdorben von religiöser Indoktrination der Teenager Alice im Sündenland bleibt. Und dazu beichtet sie trotzdem. Wobei die letzte Beichte den Spieß umdreht: Der verlogene Priester bekommt seine Sünden vorgehalten. Mit ihrer eigenen Sexualität entdeckt Alice die Scheinheiligkeit der anderen. Dabei wäre es der Komödie ein Leichtes, all diese vermeintlich gläubigen Schäfchen satirisch vorzuführen: Bedrohlich überglückliche Gläubige und religiöse Streber haben heimlich miteinander und im Internet Spaß. Doch mit genauer Konzentration auf die innere Verwirrung der 17-jährigen Hauptfigur, die sich erstaunlich gut in der Mimik der damals 24-jährigen Natalia Dyer widerspiegelt, wählt „Yes, God, Yes" den interessanteren Blickwinkel.
„Yes, God, Yes" (USA 2019), Regie: Karen Maine, mit Natalia Dyer, Francesca Reale, Alisha Boe, Wolfgang Novogratz, Timothy Simons, 78 Min., FSK: ab 12