22.8.17

Atomic Blonde

USA 2017 Regie: David Leitch mit Charlize Theron, James McAvoy, John Goodman, Sofia Boutella, Til Schweiger 115 Min. FBW: ab 16

Der neue Til Schweiger-Film ist in der Hauptrolle nicht mit seiner Tochter besetzt, sondern mit Charlize Theron - was den Unterschied zwischen einer totalen Katastrophe und einer lauten, teuren Hollywood-Katastrophe darstellt. Aber bitterer Scherz beiseite, in „Atomic Blonde" ist Schweiger nur eine von vielen unfreiwilligen Witzfiguren am Rande einer zeitweise brutalen und immer recht geistlosen Action-Orgie in Berlin.

Das Beste an West-Berlin vor dem Fall der Mauer war anscheinend die Musik von David Bowie, so hört es sich in „Atomic Blonde" an. Ansonsten konnte man zwischen Ost und West gute Geschäfte machen, indem man einfach durch irgendeinen Tunnel ging. Besonders heiße Geschäfte machen die internationalen Agenten in der geteilten Stadt. Als beim Dealen 1989 eine hochbrisante Liste mit Agenten und Doppelagenten verloren geht, fliegt MI6 seine besonders coole Lorraine Broughton (Charlize Theron) ein.

Da ihre Ankunft längst verraten ist und der lebelustige Kontaktmann Percival (James McAvoy) wieder zu spät, gibt es die nächste Verfolgungsjagd, in der Lorraine die ersten von sehr vielen blauen Flecken abbekommt. Der Rest der Suche nach dem Verräter ist vorhersehbar und läuft schematisch wie eine TV-Serie ab. Das Offensichtliche soll mit attraktiven Kulissen, netter Retro-Ausstattung (BMW R80, gelbe Telefonzellen) und Figuren wie der auch mal nackten, bi-sexuellen Nachwuchs-Agentin Frankreichs (Sofia Boutella) überdeckt werden. Deshalb zieht sich Theron auch dauernd um, wenn sie sich mal nicht prügelt.

Auch dass Lorraine alles bei einer strengen Nachbesprechung nacherzählt, macht aus diesem lauten, brutalen Nichts noch keinen „Manchurian Kandidat" und noch viel weniger einen spannenden Agenten-Thriller wie „No way out". Darin trieb 1987 Regisseur Roger Donaldson nämlich Kevin Costner noch wirklich raffiniert in die Enge und dessen Figur reagierte genial getrieben.

Basierend auf der Graphic Novel „The Coldest City" von Anthony Johnston, Sam Hart inszenierte der Ex-Stuntman David Leitch - und so sieht das Ganze dann auch aus. Kalter Krieg in kalten Farben, was für eine geniale, einmalige Idee! „Space Oddity" („Ground Control to Major Tom...") und „99 Luftballons" plärren auf der Tonspur, Zeitgeschichte ist in „Aeon Flux" nur Staffage. Filmkunst gibt es allein in einer Szene, in der Tarkowskis „Stalker" im Kino International als Hintergrund für - was wohl? - eine Prügelszene dient. Ok, in diese teilweise sehr drastischen und ausdauernden Kloppereien fällt auch noch die Kamera von Jonathan Sela auf, die sich geradezu virtuell zwischen den Schlägern und den Schlägern hin und her bewegt. Eine Reminiszenz an Karl Freunds „fliegende Kamera" bei „Der letzte Mann" (1924) mit Emil Jannings ebenfalls in Berlin? Das würde wie die Faust aufs Auge passen und ist selbstverständlich nur ein Zufall. „Atomic Blonde" bietet nicht mehr als nett dekorierte Action-Routine, die Charlize Theron nach „Aeon Flux" und „Mad Max" weiter als Action-Figur etablieren soll.