28.12.14

Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach

Schweden, Norwegen 2014 (En duva satt på en gren och funderade på tillvaron) Regie: Roy Andersson mit Holger Andersson, Nisse Vestblom, Charlotta Larsson 100 Min. FSK: ab 12

Ein Mann betrachtet ein paar ausgestopfte Tiere im Naturkundemuseum und sieht selbst mumifiziert blass aus. Der Rest an Ausstattung, grün-grauer Kulisse und meist beigem Kostüm übrigens auch. So beginnt des Schweden Roy Andersson letzter Teil einer Trilogie über das Menschsein und so setzt er sich fort. Senffarbene Stühle sind schon ein Farb-Knaller, meist käsig geschminkte Figuren, häufig dick mit spannenden Hemden und Kleidern, bevölkern den Bildrahmen. Andersson bleibt seinem skurril anekdotischen Stil treu und die Tragikomödie sieht weiterhin faszinierend kränklich aus. Wofür es im September in Venedig den Goldenen Löwen gab.

Roy Andersson erhielt 1970 für „Eine schwedische Liebesgeschichte" einen Berlinale-Preis. Nach seinem zweiten Spielfilm „Giliap" ließ er ganze zwanzig Jahre auf einen Nachfolger warten. Zwischendurch sahnte er mit seinen Werbefilmen unter anderem acht Golden Lions in Cannes ab. „Songs from the Second Floor" bestand dann 2000 aus nur 46 Einstellungen ohne Kamerabewegung, deren Sets wochenlang vorbereitet wurden. Trotzdem drehte Andersson schon damals die komplexen, minutenlangen Szenen wieder und wieder, bis sie stimmten. Das Ergebnis ist auch diesmal wieder ein einzigartiges Kunststück und Meisterwerk, bei dem man richtig lachen und ziemlich viel nachdenken kann.

Wie über die schon ergrauten Kinder einer alten Frau, die im Sterben liegt. Sie versuchen, ihr eine Tasche mit allen Wertsachen zu entreißen. Vergeblich - so viel Kraft hat sie noch. Nächste Szene einer kleinen Reihe zu „drei Begegnungen mit dem Tod". Dann eine üppige Flamenco-Lehrerin, die ihre Finger nicht vom jungen, dürren Tänzer lassen kann. Einige Figuren tauchen immer mal wieder auf. Kleine Dramen setzen sich manchmal nur am Bildrand fort. Zwei völlig humorlose und dementsprechend erfolglose Scherzartikel-Verkäufer sind ein eigener, herrlich komischer „Running Gag" des Films. Dann mal beim gleichen Raum ein Perspektivwechsel der Kamera zwischen den Szenen, zurück in eine etwas weniger dröge Zeit, in der Seeleute in der Kneipe von „Hinke-Lotta" wie im Musical singen.

Ganz surreal wird es, wenn Soldaten aus einer ganz anderen Epoche in ein Lokal, das man irgendwo zwischen 60er und 70er verortet, reiten und ein schwuler König Karl XII von Schweden (1682-1718) auf dem Weg zur Schlacht gegen die Russen ein Glas Wasser trinkt. Erschreckend dann der Rückzug der „100.000 Mann", von denen nur ein paar Verwundete übrig bleiben. Und ganz furchtbar, der Affe aufgeschnitten und verdrahtet schreiend im Labor während die Forscherin unbeteiligt daneben telefoniert oder die Kolonisatoren, die Afrikaner in einer absurden Tonne mit Schallhörnern lebendig verbrennen.

Das alles läuft unter „Homo sapiens", diese Szenen skizzieren den Menschen in Tableaus vor unbewegter Kamera. Die künstlichen Außenkulissen sehen so trostlos und fast apokalyptisch aus, wie es sich schon vor 14 Jahren in Andersson „Songs from the second floor" andeutete. Dass Roy Andersson dafür in Venedig den Goldenen Löwen erhielt, kann man vielleicht als Würdigung eines gänzlich einzigartigen Werkes sehen. Es bereichert die Welt nicht unbedingt, aber die Sichtweisen des Kinos komisch und nachdenklich aufs Käsigste.